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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und Entsetzen hallten, stürmte Heather auf das Ding zu. Schießen konnte sie nicht, weil sie befürchten mußte, selbst aus dieser geringen Entfernung Toby zu treffen. Sie warf sich gegen das Ungetüm. Spürte, wie sich ein schlangenähnlicher Arm - kalt selbst durch den Skianzug - um ihre Hüfte schlang. Der Gestank der Leiche. Großer Gott. Die Innenorgane waren schon längst verrottet, und in der Körperhöhle wimmelten Tentakel des Außerirdischen. Der Kopf drehte sich zu ihr um, sah sie an, rotgefleckte schwarze Ranken mit spachtelähnlichen Spitzen. Tentakel zuckten wie zahlreiche Zungen in dem offenen Mund, quollen aus den knochigen Nasenöffnungen und den Augenhöhlen hervor. Der kalte Tentakel hatte sich jetzt um ihre gesamte Taille gelegt. Sie rammte den .38er unter das knochige Kinn, das mit Friedhofsmoos bewachsen war. Sie zielte auf den Kopf, als würde der noch eine Rolle spielen, als säße noch ein Gehirn im Schädel des Kadavers; aber ihr fiel nichts Besseres ein. Toby schrie, der Geber zischte, der Revolver dröhnte, dröhnte, dröhnte, alte Knochen zersplitterten zu Staub, der grinsende Totenschädel wurde vom knotigen Rückgrat gerissen und baumelte an einer Seite herab, der Revolver dröhnte erneut auf - sie wußte nicht mehr, wie oft sie schon geschossen hatte - und klickte dann, das verrückt machende Klicken des Hammers auf die leere Kammer. Als das Geschöpf sie losließ, wäre Heather fast auf den Hintern gefallen, weil sie sich schon so sehr bemüht hatte, von ihm loszukommen. Sie ließ den Revolver fallen, und er schepperte über den Teppich. Der Geber brach vor ihr zusammen, nicht, weil er tot war, sondern weil seine Puppe aufgrund der Schüsse an mehreren wichtigen Stellen auseinandergebrochen war und nun zu wenig Halt bot, um ihren weichen, schweren Herrn noch zu tragen. Toby war ebenfalls frei. Im Augenblick jedenfalls. Sein Gesicht war weiß, seine Augen waren groß. Er hatte sich auf die Lippe gebissen. Sie blutete. Aber ansonsten schien er in Ordnung zu sein. Rauch quoll in den Raum, nicht viel, aber sie wußte, wie schnell er so dicht wurde, daß man nichts mehr sehen konnte.
    »Geht« sagte sie und schob Toby zu der Hintertreppe. »Geh, geh, geh!«
    Er rutschte auf Händen und Füßen über den Boden, und sie tat es ihm gleich. Das Entsetzen und die Zweckmäßigkeit hatten sie auf die Fortbewegungsweise von Kleinkindern reduziert. Sie mußte die Tür erreichen. Sie aufziehen. Toby stand neben ihr. Hinter ihr spielte sich eine Szene aus dem Alptraum eines Verrückten ab: Der Geber lag flach auf dem Boden und erinnerte im Augenblick hauptsächlich an einen riesigen Tintenfisch mit wahnsinnig vielen Saugnäpfen, wenngleich er fremder und böser war als alles, was je in den Meeren der Erde gelebt hatte. Er war nur noch ein Gewirr aus zuckenden, tauartigen Armen. Statt nach ihr und Toby zu greifen, kämpfte er mit den voneinander getrennten Knochen, versuchte, den zerfallenden Leichnam zusammenzuhalten und sich auf dem beschädigten Skelett aufzurichten. Sie drückte die Klinke herab, zerrte daran. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Verschlossen. Aus dem Regal hinter dem Bett in dem Alkoven sprang Tobys Radiowecker von allein an, und eine oder zwei Sekunden lang hämmerte ihnen mit voller Lautstärke Rapmusik entgegen. Dann diese andere Musik. Ohne Melodie, fremd, aber hypnotisch.
    »Neinl« sagte sie zu Toby, während sie mit dem Riegel kämpfte. Er ließ sich nicht bewegen. »Nein! Antworte mit >nein    »Nein!« schrie sie. »Nein, nein! Sag ihm >nein    Vor Anstrengung keuchend, drehte Heather den Riegel wieder zurück und hielt ihn fest. Aber sie spürte, wie er gegen ihren Willen wieder zuschnappte. Das leuchtende Messing bewegte sich auf unerklärliche Art und Weise zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger. Der Geber. Das war dieselbe Kraft, die ein Radio einschalten konnte. Oder eine Leiche wiederbeleben.

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