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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Sein Mund war vor Entsetzen halb geöffnet, während er sich nachdenklich mit seiner Zunge über die Vorderzähne fuhr. Er verstand nicht, was mit ihm los war. Verstand nicht, warum irgendein daher gelaufener Typ ihn derart aus dem Konzept bringen konnte. Er begann damit, seine Gedanken schematisch zu sortieren und all seine Erinnerungen nach etwas Brauchbarem zu durchforsten. Dabei stieß er auf etliche Beispiele aus seiner Vergangenheit, bei denen er abends ausgegangen war, in völlig unterschiedlichen Gemütszuständen, und ihm dabei viele verschiedene Männer begegnet waren. Doch nie zuvor hatte es einen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass er auf dasselbe Geschlecht stand. Es waren immer nur Frauen gewesen, die sein Interesse geweckt hatten. Vermutlich gab es einen simplen Grund für sein Gefühlschaos. In Anbetracht der Umstände und seiner vielen Probleme schien es nicht gerade abwegig, dass er sich unbewusst selbst austestete. Immerhin war er mit dem Entschluss in die Bar gekommen, sich zu beweisen, dass er nicht schwul war und ihm der Kuss mit Ben nichts bedeutete. Offenbar hatte er sich so sehr in dieses Vorhaben hineingesteigert, dass er sein Ziel nun völlig verfehlte und sich dadurch ungewollt verschiedenen Situationen stellte. Darüber wollte er gerade weiter nachdenken, als schon die Bedienung vor ihm erschien und einen schlicht gehaltenen Silberbecher vor ihm platzierte.
    „ Prince of Wales “, erklärte er grinsend, „unser teuerster Cocktail, mit Champagner und Cognac.“
    „Danke“, erwiderte Alex und zog das silberne Gefäß dichter an sich heran, „dann muss er mir jetzt nur noch schmecken.“
    Der Barkeeper beobachtete ihn neugierig und war währenddessen bereits mit dem Mixen eines neuen Getränkes beschäftigt. Alex interpretierte dessen Blick als gespannte Haltung auf seine Reaktion. Also wollte er ihm diesen kleinen Gefallen tun, hob den Silberbecher, setzte ihn an seine Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Dann verharrte er einen Augenblick, schmatzte etwas und nickte daraufhin zufrieden.
    „Und?“, fragte der sympathische Barkeeper.
    „Sehr gut. Davon hätte ich gern noch einen“, erwiderte Alex, setzte den Silberbecher erneut an seine Lippen und exte das Innere mit einem Mal leer. Dann stellte er das Trinkgefäß wieder vor sich ab und sog scharf die Luft ein. Der Kerl hinter dem Tresen betrachtete ihn interessiert, als ob er versuchte aus Alex’ Verhalten schlau zu werden. Doch dieser ging nicht auf die wortlose Gesprächsaufforderung ein, sondern begann sich stattdessen wieder voll und ganz seiner Gedankenwelt zu widmen. Sein Verlangen nach einer Zigarette wurde derweilen größer und das Ignorieren dieses Verlangens schwieriger. Dennoch blieb er sitzen, ließ sich gedanklich fallen und versuchte zum x-ten Mal an diesem Tag für etwas Ordnung in seinem Kopf zu sorgen. Nebenbei nahm er wahr, wie der Barkeeper ihm innerhalb kürzester Zeit den zweiten Drink servierte. Alex griff nach dem Becher, nahm erneut einen großen Schluck und unterdrückte dabei das aufkommende Gefühl eines Aufstoßens. Dann wollte er sich wieder auf seine Probleme konzentrieren, sie interpretieren und möglicherweise über ein paar Lösungsmöglichkeiten nachdenken. Allerdings kam er nicht sehr weit, denn bevor er überhaupt hatte anfangen können, begann es unter ihm zu vibrieren. Alex stemmte sich etwas hoch und zog sein Handy aus seiner hinteren Jeanstasche. Das Display leuchtete blinkend auf und passte rhythmisch zu dem sanften Vibrationsalarm. Der Anrufer hatte seine Nummer unterdrückt. Als erstes dachte Alex, dass es die Polizei sein könnte, die ihn plötzlich doch verdächtigte und sich einen Reim aus seiner Story gebastelt hatte. Dann überlegte er, ob es vielleicht Diego war, der aus irgendeiner schmierigen Telefonzelle anrief oder eine neue Nummer besaß, die er vor jedem - sogar vor Alex - geheim halten wollte.
    Er zögerte noch einen Moment, sammelte sich kurz, drückte dann auf die grüne Hörertaste und legte das silberne Telefon an sein linkes Ohr.
    „Ja?“, meldete er sich neutral, um bloß nichts falsch zu machen und auf alle möglichen Konversationen vorbereitet zu sein.
    Zunächst erwiderte der Anrufer nichts. Alex wusste nicht, was er davon halten sollte. Er glaubte ein entfernt stehendes Radio oder einen eingeschalteten Fernseher am anderen Ende des Hörers zu vernehmen, war sich aber aufgrund des Lärmpegels in der Bar nicht ganz sicher.
    „Hallo?“, versuchte er es erneut

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