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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Irgendetwas war anders, doch fand er nicht heraus, was es war. Ohne den Blick vom Spiegel abzuwenden griff er letztendlich doch nach einem Handtuch, trocknete sein Gesicht damit ab und hängte es daraufhin wieder zurück an die dafür vorgesehene Halterung. Von vorn wirkten seine Haare nun etwas zerzaust, ansonsten hatte sich nicht viel an seinem Gesamtbild geändert. Er hielt seine Augen nur schlitzweit geöffnet, ließ sein Spiegelbild etwas vor sich verschwimmen und musterte sich ein weiteres Mal. Erst dann erkannte er plötzlich, was anders war.
    Es war nicht das Spiegelbild, das sich verändert hatte. Nein. Es war er selbst. Er hatte sich verändert.
    Vor etwa zwei Wochen hatte er das Praktikum bei Johannes Tannenberger begonnen und war mit viel Engagement und Ehrgeiz an die Sache herangegangen. Er hatte Jo Tannenberger verehrt und als ein großes Vorbild gesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sein ganzes bisheriges Leben nahezu perfekt gemeistert und in keinster Weise irgendwelche Probleme gehabt. Das einzige, was ihn zu jener Zeit noch belastet hatte, war die Trennung von seinem Exfreund, Nick, mit dem er zuvor sehr lange zusammen gewesen war. Ansonsten hatte er nichts an seinem Alltag auszusetzen gehabt. Nie zuvor hatte er irgendetwas außerordentlich Negatives erlebt oder sich mit richtigen Problemen auseinandersetzen müssen. Sein ganzes Leben war stets einer geraden Linie gefolgt und hatte sich dabei immer in dieselbe Richtung bewegt.
    Doch jetzt war alles anders. Zwar war er noch immer sehr zielstrebig, weil ihm das Praktikum nach wie vor sehr viel bedeutete. Immerhin war es wichtig für seinen Lebenslauf und seinen weiteren studentischen Werdegang. Allerdings sah er Jo nicht mehr als großes Vorbild. Mittlerweile machte es für ihn eher den Anschein, dass der berühmte Architekt bislang nur deshalb so viel erreicht hatte, weil er die wesentlich wichtigeren Dinge des Lebens vernachlässigt hatte. Natürlich war Jo ein ausgezeichneter Architekt und hatte es zu viel gebracht, doch er symbolisierte längst nicht mehr das, was Ben nacheifern und werden wollte.
    Des Weiteren hatte sich verändert, dass Ben seinem Exfreund überhaupt nicht mehr hinterhertrauerte. Er vermisste ihn nicht einmal. Das war etwas, was der Dunkelhaarige noch immer nicht recht fassen konnte, da Nick als seine erste große Liebe bislang immer eine bedeutende Rolle in seinem Leben gespielt hatte.
    Ben hatte ein harmloses Praktikum begonnen, das auch vorbildlich hätte enden können, wenn es da nicht Alex gäbe. Der Blonde hatte im Leben mehr durchgemacht als jede billige Romanfigur und entsprach damit genau dem Gegenteil von Ben. Alex vernachlässigte sein Studium, hasste seinen Vater und steckte wegen seiner Schulden in richtigen Schwierigkeiten. Auch charakterlich ähnelten die beiden sich so sehr wie ein Vogel einem Pferd, doch gab es gleichzeitig eine unausgesprochene Ebene, auf der sie sich gut miteinander verstanden. Durch Alex hatte Ben sich in Situationen begeben, die er sich zuvor niemals zugetraut hätte. Er war dem Blonden in ein schmutziges Quartier seiner Feinde gefolgt und hatte sich damit in etwas eingemischt, das ihn eigentlich nichts anging. Er war wagemutiger geworden, selbstbewusster und setzte mittlerweile ganz andere Prioritäten. Inzwischen stellte er eigene Bedürfnisse hinten an und würde Alex zweifellos jeder wichtigen Fachlektüre vorziehen. Ja, er wollte das Praktikum gut absolvieren, war sich dabei aber nicht mehr sicher, ob es mittlerweile nur noch ein Alibi für sein Dasein in der Villa darstellte. Es war ihm längst nicht mehr so wichtig, einen praktischen Einblick ins Architektenleben zu bekommen und sich mit Jos Hilfe weiterzubilden. Viel wichtiger war es geworden, in Alex’ Nähe sein zu können.
    Alex faszinierte ihn. Ben hatte großen Respekt vor dessen bisherigen Leben und davor, wie der Blonde mit seinen Problemen umging und täglich wegstecken musste, wie Jo mit ihm umsprang.
    Er faszinierte ihn so sehr, dass er sich verliebt hatte - eigentlich grundlos. Alex war nicht schwul und hatte ihn andauernd herablassend behandelt. Er hatte Ben offen gezeigt, wie sehr er ihn verachtete, weil er Jo in den Arsch kroch und natürlich auch, weil er schwul war. Neben dem guten Aussehen gab es also eigentlich nichts, in das Ben sich hätte verlieben können. Kein Charme, keine Höflichkeit, kein Respekt, keine Toleranz, keine Sympathie. Dennoch war es geschehen, vielleicht aus genau diesem Grund. Von Anfang

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