Wintermond (German Edition)
einzige, was er schließlich hervorbrachte.
„Und ob“, entgegnete Alex, bevor er seine Hand wieder zurück zog und sich einmal kurz schüttelte, um das restliche Kribbeln des Adrenalins aus seinem Körper zu verbannen.
Schließlich ließ er von seinem Kumpel ab und tat so, als sei nichts geschehen.
„Testa di cazzo!“, hörte er Diego daraufhin zischend murmeln.
Alex ignorierte ihn und atmete tief durch. Dann ließ er sich erneut auf der Couch nieder. Gespannt wartete er auf eine weitere Reaktion Diegos.
Alex wusste, dass dieser ihm nicht weiter widersprechen würde. Es war nämlich tatsächlich so, dass Diego keine makellose Vergangenheit und damit schon eine Menge Dreck am Stecken hatte. Von vielen seiner kriminellen Taten wusste Alex und hatte genug Hintergrundwissen, um einige davon beweisen zu können.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Diego sich letztendlich wieder regte und Alex kurz darauf frischer Zigarettenqualm in die Nase zog. Der Italiener ließ sich zurück neben Alex auf die Couch sinken.
„Und?“, brach Alex die erdrückende Stille.
„Du bist ein echtes Arschloch“, erwiderte Diego und zog an seiner Zigarette.
„Das fasse ich dann mal als ein Ja auf“, konterte Alex und grinste überlegen.
Erneut schwieg Diego einen Moment, bevor er fragte: „Und wann soll’s losgehen?“
Alex wusste, dass er das Spielen meinte und überlegte kurz.
„Gleich heute Abend“, antwortete er schließlich, lehnte sich in der Couch zurück und genoss seinen kleinen Triumph über Diego.
Über den genauen Tagesverlauf wollte er in jenem Moment nicht nachdenken, sondern diesen einfach unbeeinflusst auf ihn zukommen lassen. Einen genauen Plan für den nahenden Abend hatte er nicht. Instinktiv wusste er jedoch, dass ihn mehr der Drang zum Spielen als die irreale Möglichkeit der Schuldenbegleichung durch einen fantastischen Gewinn zum erneuten Pokern anspornte. Doch diesen Gedanken ignorierte er. Stattdessen versuchte er sich zu entspannen und den kommenden Abend einfach auf sich zukommen zu lassen.
* * *
Es war längst dunkel geworden. Der mit Dreck vermischte Schnee der Straßen ließ die Gegend noch düsterer und schmutziger wirken als sie es von vornerein schon war. Eingeschneite Autos standen dicht gereiht am Straßenrand. Ein leichter Schneesturm fegte durch die Seitengasse, in die Alex und Diego soeben gebogen waren. Während sie die bekritzelten Hauswände passierten, fielen die Jalousien an zweien der vielen Fenster mit einem lauten Zurren herunter.
Alex blickte nicht einmal auf. Die Gegend war ihm mittlerweile so vertraut geworden, dass er sogar vereinzelte Geräusche kannte und sie innerlich zuordnen konnte. Mit leicht zusammengekniffenen Augen schritt er voran, während Diego ihm wortlos folgte. Die eisige Luft brannte in seinem Gesicht. Ein paar Hausnummern weiter konnte er seinen Zielort schon unschwer erkennen. Die Buchstaben „Nachtbar“ flackerten in roten Neonlettern an der Wand und wirkten dabei so einladend, dass Alex’ Schritte sich wie von selbst beschleunigten. Eine wohlige Vertrautheit wurde in ihm geweckt, gemischt mit einem Gefühl von Reiz und großer Vorfreude. Es fühlte sich an, als ob er noch ein kleiner Junge wäre, den in wenigen Minuten die weihnachtliche Bescherung erwartete.
Drei große Fenster gewährten einem von draußen Einblick in die unscheinbare Kneipe. Nur ein paar der Tische waren von Gästen besetzt, die etwas tranken und dabei intensiv in Gespräche vertieft waren, die vermutlich belanglos und unwichtig waren. Die Typen, denen Alex Geld schuldete, waren nicht dabei. Das war ein gutes Zeichen, denn das Hinterzimmer, in welchem die illegalen Pokerspiele stattfanden, betraten sie meist erst dann, wenn sie zuvor in der Bar einen gewissen Alkoholpegel erreicht hatten.
Alex befreite sich aus seinen Handschuhen und stieß Diego sachte an.
„Komm schon!“, forderte er ihn auf und hielt die gläserne Tür auf, um Diego den Vortritt zu lassen.
Dann folgte er ihm, ließ die Tür hinter sich zufallen und sah sich um. Obwohl die stilvolle Einrichtung in Holz und Leder edler wirkte, als es eigentlich in diese Gegend passte, fand man in der Bar ein bunt gemischtes Publikum ohne jegliche Schickimicki-Allüren vor. Der lang gestreckte Raum mit seiner langen Bar war wie immer in ein dezentes Licht getaucht und machte die lässige Atmosphäre perfekt. Rote Sofas in den hinteren Ecken luden zum Fläzen und die hohen Hocker an der Bar zu einem sinnlosen Besäufnis
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