Wintermond (German Edition)
ununterbrochen ein, vernünftig geworden zu sein und erkannte seine Fehler widerstandslos. Doch sobald man wieder kurz vor einem verlockenden Spiel stand, überkam einen letztendlich doch die unterdrückte Lust und ließ einen die gleichen Fehler erneut begehen.
Sam tapste einige Meter vor ihm am Wegrand entlang.
Plötzlich klingelte Alex’ Handy. Hastig fischte er es aus seiner Jackentasche und beantwortete den Anruf der unbekannten Rufnummer mit einem schlichten: „Hallo?“
„Ich will endlich mein Geld sehen“, schallte ihm der bekannte spanische Akzent entgegen.
Alex fluchte innerlich und glaubte beinahe, dass seine Gedankengänge durch die Straßen zu seinem Feind hervorgedrungen waren und diesen an Alex’ Schulden erinnert hatten.
„Ich hab’ doch gesagt, dass ich noch Zeit brauche“, erwiderte Alex schroff.
„Hat dir unser kleines Gespräch neulich etwa nicht gereicht?“, fragte ihn der Spanier streng.
„Du bekommst dein Geld schon noch. Das verspreche ich“, sagte Alex daraufhin.
„Dein reicher Vater wird ja wohl ein paar Kröten für seinen armseligen Sohn über haben“, schallte die Stimme aus dem Handy.
Alex schwieg, erinnerte sich dabei an das Gespräch mit Jo und daran, wie dieser Alex deutlich gemacht hatte, ihm vorerst kein weiteres Geld auszuhändigen.
Nervös fuhr er sich mit der freien Hand übers Kinn. Sein aufgeregter Atem kondensierte in der kalten Luft.
„Okay“, gab Alex schließlich nach, als er wusste, dass er keine Ausreden mehr parat hatte, „ich zahle die Schulden in Raten ab. Du musst mir nur sagen, wie viel du willst.“
Die Stimme am anderen Ende des Hörers lachte gehässig auf, bevor sie fragte: „Raten?“
„Anders geht es nicht“, erklärte Alex. „Also, wie viel?“
„Zehntausend. Morgenfrüh um zehn in der Bar. Ansonsten machen wir ernst“, erwiderte der Spanier knapp.
Alex nickte und wollte gerade etwas erwidern, als er jedoch hörte, wie der andere bereits auflegte.
„Scheiße, verdammt!“, fluchte er, blieb stehen und trat gegen einen vereisten Schneehaufen.
Sam kam daraufhin auf ihn zugerannt und wimmerte kläglich.
„Nein, du hast nichts falsch gemacht“, besänftigte Alex ihn leise und streichelte über Sams schwarze Schnauze.
Wie sollte er bloß in wenigen Stunden zehntausend Euro zusammen bekommen? Noch immer hielt er sein mittlerweile kalt gewordenes Handy in der Hand. Er überlegte nur einen kurzen Moment, bevor er sich dafür entschied, Diego anzurufen. Die beiden hatten seit Alex’ letztem Spiel keinen Kontakt mehr zueinander gehabt.
„Diego!“, meldete sich die dunkle Stimme des Italieners monoton am anderen Ende der Leitung.
„Scheiße, Diego!“, sprudelte es aus Alex heraus. „Die wollen bis morgen zehntausend Euro sehen.“
„Wie jetzt?“, fragte Diego irritiert zurück. „Du hast denen die Kohle immer noch nicht gegeben?“
„Nein“, erwiderte Alex und hielt seine Hand vor den Mund, um gedämpfter sprechen zu können, als ein älteres Ehepaar an ihm vorbeiging.
„Du ... ich ...“, Diego klang wütend und verzweifelt zugleich. Er schien nicht zu wissen, was er zuerst sagen sollte. Alex hörte ihn in seiner Muttersprache „Porca puttana!“ fluchen.
„Es tut mir leid, Mann“, sagte Alex dann. „Mein Vater rückt kein Geld mehr raus.“
Er hörte seinen Kumpel stark ausatmen.
„In zwanzig Minuten im Jenischpark“, sagte Diego dann kurz angebunden und legte auf.
Alex ließ das Handy daraufhin gedankenverloren von seinem Ohr bis zu seinen Lippen gleiten und blickte nachdenklich geradeaus. Erst als er etwas um seine Beine schleichen spürte, regte er sich wieder.
„Komm, Sam!“, sagte er bestimmt und ging in schnellen Schritten vorwärts.
Er ignorierte die Blicke der Leute und grüßte nicht einmal zurück. Zu tief steckte er in Gedanken, während er einen Fuß vor den nächsten setzte und dabei versuchte, nicht im matschigen Schnee auszurutschen. Sam lief wieder einige Meter vor ihm.
Alex war froh, dass es nicht weit bis zu dem Park war, in dem Diego und er sich treffen wollten. Lediglich ein Fußmarsch von zwanzig Minuten trennte den Jenischpark von seinem Elternhaus. An diesem Ort hatte er sich abends schon häufig mit Diego getroffen und wusste deshalb, wo der junge Italiener vermutlich auf ihn warten würde.
Es dauerte also nicht lang, bis Alex schließlich an seinem Zielort ankam. Er überquerte die Straße und bog links in den Park ein. Die winterlichen Sonnenstrahlen wurden von den
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