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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufzubauen versucht hatte. Dann dachte er daran, dass Ben ihn bisher nicht verraten und sich ihm gegenüber verstärkt interessiert verhalten hatte. Obendrein hatte der Dunkelhaarige ihn nun auch noch zu küssen versucht. Das Bild, was dieses Puzzle ergab, war eindeutig. Es bedurfte nicht viel Erfahrung, um zu erkennen, dass Ben ganz offensichtlich was von ihm wollte. Auf diese Erkenntnis hin zog sich ein zusammen schnürendes Gefühl durch seinen Magen. Ein Gefühl, wie man es eigentlich nur kurz vor einer anstehenden und bedeutenden Prüfung kannte. Alex wurde leicht übel. Er legte Daumen und Zeigefinger auf seinen Nasenrücken und fuhr sich mit einer spreizenden Bewegung nervös über die Augenbrauen. Dann schritt er zur Fensterbank und starrte durch das Fenster nach draußen. Durch den vielen Schnee, auf den das Mondlicht fiel, wirkte die Nacht heller als üblich. Ansonsten war in der Ferne nichts zu erkennen. Diese Aussicht unterstrich nahezu die aktuelle Gefühlswelt von Alex, denn mit einem Mal fühlte er sich einsam. Er hatte niemanden, mit dem er über das Geschehene und all seine anderen Probleme sprechen konnte. Unter diesem Gedankenzug erkannte er plötzlich, dass er sich nicht nur einsam fühlte, sondern es tatsächlich war. Diese gefühlte Einsamkeit begann plötzlich eine ungeheure Sehnsucht in ihm wachzurütteln. Eine Sehnsucht, die er zu vergessen geglaubt und seit Monaten verdrängt hatte. Wie in Trance schritt er zu seinem Bücherregal und zog ein breites, in braunem Leder eingebundenes Buch hervor. Nachdenklich betrachtete er den dunklen Umschlag. Das, was er in seinen Händen hielt, war ein altes Fotoalbum. Alex ging zurück zum Bett und ließ sich auf die Matratze sinken. Er lehnte sich kurz vor und knipste die Nachttischlampe an. Dann legte er das Fotoalbum auf seinen Schoß und schlug es ganz vorsichtig auf. Er benahm sich dabei so, als ob ihn etwas erwarten würde, vor dessen Konfrontation er große Angst hatte. Die ersten Seiten überblätterte er flüchtig und blieb schließlich an einem einzigen Foto hängen, das ihn stark schlucken ließ. Behutsam löste er dieses aus dem Album und betrachtete es mit leerem Gesichtsausdruck. Auf dem Foto waren er und sein bester Freund zu sehen, wie sie sich eng aneinander gequetscht auf ein Bild gezwängt hatten. Dieser Schnappschuss war Alex’ Lieblingsaufnahme von sich und seinem besten Freund, Sebastian. Darum sein Lieblingsfoto, weil es die beiden so zeigte, wie sie zu jenem Zeitpunkt gewesen waren. Es war ein ehrliches, lebendiges Foto, auf welchem sich keiner der beiden verstellt hatte und das so spontan entstanden war, dass es viele Erinnerungen in Alex aufsteigen ließ. Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie Sebastian und er während eines gemeinsamen Frankreichtrips durch die Pariser Bars gezogen waren und sich schließlich leicht angetrunken in einen Passfotoautomaten gequetscht hatten, in dem letztendlich genau dieses Foto entstanden war. Alex musste höhnisch auflachen und wirkte dabei fast ein wenig wahnsinnig.
    „Du gottverfluchter Mistkerl!“, sprach er dann bitter klingend. „Du hast mich viel zu früh allein gelassen.“
    Seine eigenen Worte hallten in seinem Kopf wider und schallten dabei blechern. Unter diesem Lärm seiner Gedanken zogen verschiedene Bilder an Alex’ innerem Auge vorbei. Es war, als ob er innerhalb weniger Sekunden noch einmal genau das empfand, was er vor einem Jahr erlebt hatte: Den Verlust seines besten Freundes. Bis ins kleinste Detail konnte er sich daran zurück erinnern, wie er von dem Autounfall erfahren hatte, welcher Sebastian letztendlich das Leben gekostet hatte. Ein Autounfall, wie er täglich auf hunderten von Straßen passierte, man sich darüber im Alltag jedoch keine Gedanken machte. Doch plötzlich sind die Bilder in den Nachrichten nicht mehr die von fremden Autos und die Worte der Radiomoderatoren nicht mehr welche über unbekannte Opfer.
    Es war ein Unfall gewesen, der Alex seinen besten Freund genommen hatte.
    „Verdammt!“, rief Alex laut und hielt das Foto dabei so fest zwischen seinen Fingern, als ob er kurz davor war, es zu zerreißen. „Ich brauch’ dich hier, Mann! Mein Scheißleben geht dermaßen den Bach runter ...“
    Alex klang beinahe vorwurfsvoll. Er fühlte sich miserabel und spürte mit einem Mal eine so große Wucht an Sentimentalität in sich aufsteigen, dass er glaubte, die verdrängten Gefühle der letzten Monate nun in einem

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