Wintermond (German Edition)
fast an sexuelle Belästigung.“ Auf seine eigene Aussage hin musste er gekünstelt auflachen.
Ben regte sich einen Moment lang nicht, nahm dann aber den kühlenden Beutel von seinem Kopf und drehte sich wieder mit dem Gesicht zu Alex.
„Das muss am Alkohol gelegen haben“, versuchte Ben sich rauszureden. „Aber mit dem Tritt hast du dafür gesorgt, dass ich den eben komplett ausgekotzt habe.“
Auf Alex’ Gesicht legte sich ein irritierter Ausdruck. Erneut überkam ihn eine Welle des schlechten Gewissens. Er wusste, dass er eigentlich nie handgreiflich geworden war. Er kannte sich selbst als jemanden, der zwar eine große Klappe hatte, hinter der jedoch wahrhaft sprichwörtlich nicht viel steckte. Einen Moment lang überlegte er, sich zu entschuldigen, doch brachte er diese Worte einfach nicht über die Lippen. Stattdessen versuchte er wieder einigermaßen gelassen zu wirken und sagte: „Du scheinst es momentan ja echt nötig zu haben. Erst die Sache im Wintergarten und dann das hier.“
Ben presste seine Lippen zusammen und schüttelte kaum merklich und ungläubig den Kopf. „Du machst es dir echt einfach“, sagte er dann.
„Wie meinst du das?“, fragte Alex verwirrt zurück, wobei ihn ein kribbelnder Schauer überzog, als ob er eine Antwort von Ben erwartete, die er nicht hören wollte.
„Vielleicht kannst du’s dir ja selbst vormachen, mir aber nicht“, erwiderte Ben sicher. „Aber der Kuss scheint dich auch nicht ganz kalt gelassen zu haben.“
Auf diese Worte hin nahm das kribbelnde Gefühl auf Alex’ Rücken ein übertriebenes Ausmaß an. Er spürte, wie sich erneut Zorn in ihm anbahnte, verbunden mit einem Gefühl von völliger Unsicherheit, die er allerdings zu überspielen versuchte.
„Schwachsinn!“, erwiderte er laut. „Das hättest du vielleicht gern, aber da muss ich dich enttäuschen.“
„Ach, ja?“, Ben trat einen Schritt näher auf ihn zu und hob provokant eine Augenbraue. „Es hat aber ziemlich lange gedauert, bis du dich gewehrt hast.“
Alex taumelte einen Schritt rückwärts und blickte sein Gegenüber fassungslos an.
„Ich war ziemlich erschrocken. Ich bin keine verfluchte Schwuchtel, Mann!“, verteidigte er sich und diese Worte entsprachen tatsächlich der Wahrheit.
Ben kam einen weiteren Schritt auf ihn zu und musterte ihn streng aus der Nähe, schien dabei wie so oft zu versuchen, hinter Alex’ Fassade zu blicken. Doch dieser gewährte dem löchernden Blick des Dunkelhaarigen keinen Durchlass.
„Und warum bist du dann noch mal hier her zurückgekommen?“, fragte Ben.
Alex’ Lippen formten mehrmals hintereinander lautlose Worte. Er wusste auf Bens Frage zwar etwas zu erwidern, konnte diese Antwort in jenem Moment allerdings nicht passend formulieren.
Ben blieb noch eine Weile vor ihm stehen und starrte ihn fest an. Als er sich wieder regte, wandte er den Blick ab und drängelte sich an Alex vorbei.
„Dir ist echt nicht mehr zu helfen“, sagte er noch, bevor dieses Mal er die Küche verließ.
Alex drehte sich schlagartig um und blickte Ben nach. Er war vollkommen sprachlos, innerlich aufgewühlt und erkannte sich selbst nicht wieder. Das merkwürdige Gefühl in ihm verwandelte sich recht schnell zurück in Wut und Ärgernis. Er bereute es, noch einmal in die Küche gegangen zu sein und verfluchte sich selbst dafür, nicht die richtigen Antworten auf Bens Fragen geäußert zu haben. Er fuhr sich fest mit beiden Händen durchs Haar und krallte seine Finger in seinen Hinterkopf. Tief durchatmend, um sich selbst zu beruhigen, starrte er auf die noch geöffnete Tür. Dann nahm er seine Hände wieder herunter und verließ die Küche ebenfalls, um sich auf den Weg in sein Zimmer zu machen.
Dort angekommen drückte er die Tür hinter sich ins Schloss und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz. Er schluckte stark und blickte sich dabei nachdenklich in seinem Zimmer um. Das Spiel, welches er mit Ben spielte, hatte in der letzten Zeit eine unüberschaubare Dimension angenommen, für die es tatsächlich keine Regeln mehr gab. Ben wusste zu viel von ihm und seinen Problemen und mit jedem neuen Tag befürchtete Alex, dass dieser ihn irgendwann an seinen Vater verraten würde. Der Kuss vom heutigen Abend, der von Ben ausging, verunsicherte ihn deshalb zunehmend. Angestrengt versuchte er die einzelnen Puzzleteile der letzten Tage zusammenzufügen. Er erinnerte sich daran, wie Ben ihn beim Duschen beobachtet hatte und daran, wie dieser ständig ein
Weitere Kostenlose Bücher