Winters Herz: Roman (German Edition)
ihm geraubt hast –, lass ihn gehen.«
»Du bittest mich darum?«
»Ich flehe dich an.«
Remicks Augen blitzten. Er warf laut lachend den Kopf in den Nacken. »Oh, Cass, bitte – wirklich?« Er machte eine Pause, wurde wieder ernst. »Ich will nur eines, einzig und allein eines, und du weißt genau, was es ist.«
Er verstummte, aber seine Lippen bewegten sich weiter. Cass hörte die Worte ganz deutlich: Ich habe dich gekostet.
Sie öffnete die Lippen. »Mich?« Sie glaubte, wieder seine Hände auf ihrem Körper zu spüren, und erschauderte. Dabei dachte sie: Du hast mich schon gehabt.
»Oh, nicht deinen Körper, Cass, so köstlich er auch war – wasdein Vater wohl dazu gesagt hätte? Nein, den brauche ich nicht; das war nur ein Vorgeschmack. Eine Kostprobe.« Sein Blick ließ sie nicht los.
Sie schüttelte den Kopf.
»Deine Liebe? Nein, dein Herz erkaltet, Cass; ich will es nicht. Darum geht es überhaupt nicht. Du kennst das Spiel, du hast seine Regeln als kleines Mädchen gelernt. Ich spreche von dem Teil deiner selbst, der damals ihm geweiht worden ist: Der ist süß, Cass, die süße, süße Seele einer verbotenen Frucht. Gib sie mir.« Sein Blick war plötzlich gierig. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, auf denen ein Speicheltropfen zurückblieb. »Gib sie mir«, wiederholte er heiser. »Überschreib sie mir – eine Kleinigkeit. Es dauert nur einen Augenblick, dann ist’s geschehen. Dann lasse ich ihn gehen, tilge seinen Namen aus dem Buch, und alles ist wieder so, als habe er nie unterschrieben.«
Sie wich vor ihm zurück, schüttelte wieder den Kopf.
»Sieh ihn dir an, Cass, so jung und trotzdem so sorgenschwer. Siehst du den Schatten in seinem Blick? Das ist kein Schatten, Cass; weißt du, was es ist? Das Fehlen von Licht. Es ist erloschen, Cass. Ausgelöscht. Verschwunden . Und es bleibt für alle Ewigkeit verschwunden, wenn du nicht Ja sagst. Mehr ist nicht nötig, Cass. Ein einziges kleines Wort.« Er legte den Kopf schief, veränderte seinen Tonfall. »Es war gut, Cass, nicht wahr? Du und ich – alles, wonach du dich gesehnt hast.«
Bis auf die Art und Weise, wie ihr Fleisch vor ihm zurückgewichen war.
»Ich kann’s dir geben.« Er lächelte, und es war Theos Lächeln, herzlich, warm, tröstlich. Es beruhigte sie. Cass wandte den Blick ab. Obwohl ihr Sohn in dem durch die Fenster einfallenden Licht stand, waren seine Augen voller Schatten, würden immer voller Schatten sein.
Und sie war seine Mutter.
Remick streckte eine Hand aus, zeichnete eine Geste in die Luft, und sie spürte seine Berührung: kraftvoll, warm, tröstlich, wie es nur die Umarmung eines Mannes sein konnte. Sicherheit . Sein Atem war in ihrem Haar, auf ihrem Nacken. Sie stöhnte leise.
»Es war gut, Cass.« Seine Fingerspitzen liebkosten ihren Körper, so leicht auf ihren Armen, an der Innenseite ihrer Handgelenke, auf ihren Hüften. Sie berührten ihre geheimsten Stellen, setzten sie in Brand, drangen sanft in sie ein … füllten sie aus. Seine Finger waren kühl im Gegensatz zu ihrer Hitze.
»Nein.« Sie öffnete die Augen. Seine waren blau. Blau.
»Komm zu mir«, sagte er und breitete die Arme aus.
Cass schüttelte den Kopf. Solche Wärme, solches Licht, so beruhigend für Herz und Seele. Sie senkte den Blick und sah sorgenvoll die Schatten in Bens Augen. Sie musste etwas für ihn tun, musste ihm helfen. Mit einem einzigen Wort …
»Ich gebe dir dein Leben zurück, Cass.«
Plötzlich war ihr bewusst, was sie alles verloren hatte.
»Cassandra. Gloria . Komm.«
Seine Arme waren offen, und sein Blick war warm, so voller Liebe, voller Versprechen, dass er alles zurückbringen würde. Cass trat vor, bevor sie selbst wusste, dass sie’s tun würde. Das war letztlich so einfach, sie brauchte nur einen Schritt zu tun, um von diesem Gewicht, von dieser Hand, die noch auf ihrem Kopf lastete, befreit zu werden. Wie schön es sein würde, in seinen Armen zu ruhen und diese Last von sich nehmen zu lassen. Er zog sie an sich, strich ihr übers Haar, drückte ihren Kopf sanft an seine Schulter. Sie ließ es mit sich geschehen.
Remick hielt sie weiter umarmt, als er mit ihr zum Altar ging, und Cass ruhte in seiner Wärme und spürte, wie Licht ihr Gesicht berührte. Ihre Hand war unversehrt, ein hilfloses Ding, als Cass sie ausstreckte, und er ergriff sie, legte sie flach in seine eigene. Mit der anderen Hand hob er ein Messer. Die lange Klinge war leicht gekrümmt, und er
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