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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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macht man es ja auch.« Sie legte Ned in aller Ruhe die Windel um, während der sie zahnlos anlächelte. »Ich finde, er sieht eher so aus wie du, nicht wie er.«
    »Find ich auch.«
    »Vor allem, wenn seine Haare auch noch rot werden.«
    »Floyds Mama betet jeden Tag, dass das nicht passiert.«
    Bei niedrigerer Geschwindigkeit ruckte der Pick-up manchmal. In den Senken neben dem Fluss gab es die beste Erde in der Gegend. Die Häuser neben diesen Feldern waren stattlich und herausgeputzt, neue Pick-ups standen in den Einfahrten, abbezahlte Traktoren in den Scheunen. Maisstoppel ragten aus dem Schnee, nutzlose alte Rispen und Hüllblätter waren in die Stacheldrahtzäune geweht und auf den Dornen aufgespießt worden.
    Kojoten riefen den Mond zu sich.
    Ree hielt Ned im Arm und sagte: »Lass uns heimfahren. Es hat keinen Sinn. Ich mein, warum haut er ab, wenn er mich hat winken sehen?«

DORT, WO REE SCHLIEF , schienen sich die nächtlichen Schatten niemals zu verändern. Eine Hoflampe warf von der anderen Seite des Bachs im selben Winkel wie immer ihr Licht durch das frostüberzogene Fenster. Ree saß im Bett und hörte sich
Sanftes Bachrauschen zur Entspannung
an, während sie die Schatten und die sich auflösenden Naturgeister ihres Atems beobachtete. Sie nahm zwei Flickendecken und legte sie sich um die Schultern. Dann dachte sie über die Ewigkeit nach und wie einsam und voller Schatten es dort wohl sein mochte.
    In Rees Herz war Platz für mehr. Ein Abend mit Gail war so, als würde sie einen ihrer sehnsüchtigen Träume im Wachzustand erleben, nicht im Schlaf. Mit einem Kissen im Arm schlief sie schließlich kurz nach Mitternacht ein.
    Klopfgeräusche weckten sie. So weit vom Ofen entfernt war keine Wärme mehr, und Ree stand auf dem kalten Holzfußboden, sah zum Fenster hinaus und erkannte den uralten Pick-up. Die frostige Luft bescherte ihr eine Gänsehaut, als sie auf das Klopfen zuging.
    »Er meinte, wenn ich so spät noch fort bin«, erklärte Gail, »dann kann ich auch gleich die ganze Nacht wegbleiben. Er hat Ned zu seinen Leuten gebracht und mir die Tür vor der Nase zugeknallt.«
    Ree winkte sie herein, fand in der Dunkelheit den Weg zurück zum Bett und kroch gähnend unter die schweren Flickendecken. Gail setzte sich auf einen Stuhl und zog sich aus. Ihr Atem entsandte willkommene Geister in die Luft. Als die Stiefel zu Boden knallten, fiel festgebackener Lehm von ihnen ab. Jeans und Socken landeten oben auf den Stiefeln. Gail trat von einem nackten Fuß auf den anderen, rieb sich Schultern und Arme und sah auf das Bett hinunter.
    Ree hielt die Flickendecken hoch, klopfte aufs Laken und sagte: »Ein Holzscheit allein macht noch kein Feuer.«

DIE NOTWENDIGE FÄHIGKEIT WAR Stillhalten. Die bei Tagesanbruch auf den herabhängenden Ästen kauernden Eichhörnchen waren mucksmäuschenstill. Jedes Geräusch schreckte sie auf, aber für lang. Die Morgenluft hielt noch die Kälte der Nacht fest, doch es war windstill, und die Eichhörnchen hatten bald die Angst vor dem neuen Tag verloren und turnten über die Äste. Leichte Beute für eine Mahlzeit, man brauchte nichts weiter als stillhalten und eine kleine Kugel.
    Ree und die Jungs saßen mit dem Rücken an einer großen umgestürzten Eiche, auf zusammengesammelten Blättern, die Stiefel auf dünnen Schneeflecken. Unten lagen die Bäume noch im Schatten, während frisches Sonnenlicht schon die Kronen erwärmte. Ree bemerkte ein Eichhörnchen, das aufrecht auf einem hohen, sonnigen Ast stand, hob langsam das Gewehr und schoss. Das Eichhörnchen quiekte, drehte ein paar Kreise in der Luft, seine Hinterläufe versuchten, ein letztes Mal kratzend Halt an der Rinde zu finden, dann fiel das Tier leblos zu Boden. Harold beugte sich vor und wollte das Eichhörnchen schon holen, doch Ree hielt ihn zurück. Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: »Lass es liegen. Nach dem Schuss rennen jetzt alle in ihre Löcher, aber wenn du still bleibst, tauchen sie in ein paar Minuten wieder auf. Wir wollen noch zwei.«
    Sie gab Sonny das Gewehr, und sie lehnten sich zurück und warteten. Die Jungs hatten rote Nasen, und Ree erklärte ihnen gestenreich, dass sie nicht hochziehen, sondern warten sollten, bis die Nase voll war, und dann alles mit einem schnellen Schnauben ausstoßen. Sonny entdeckte ein Eichhörnchen, das sich an einen dicken Ast schmiegte, zielte aber zu tief und zerfetzte die Baumrinde. Er runzelte die Stirn und gab Harold das Gewehr. Die Sonne ging auf und die

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