Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
Vom Netzwerk:
Schatten der Bäume streckten sich weit über die offenen Flächen. Harolds Schuss traf weder Eichhörnchen noch Baum. Ein Fehlschuss, der in die Ferne davonschwirrte. Ree traf ein weiteres Tier, und Harold zuckte zusammen, als das Eichhörnchen quiekend und sich in die Luft krallend abstürzte. Es prallte gegen mehrere Äste und landete auf einem Baumstumpf. Mit seinem nächsten Schuss traf Sonny sein Ziel an den Hinterpfoten, das Eichhörnchen fiel zu Boden und fing an, ungelenk durch Schnee und Wintergestrüpp zu hoppeln.
    Ree schubste Harold an. »Dem kannst du hinterherjagen. Die haben Krallen und Zähne, also zieh besser Handschuhe an, um es zu schnappen.«
    »Es lebt doch noch!«
    »Pack seinen Kopf zwischen zwei Finger und zieh – wie bei einem Huhn.«
    »Es ruft nach seiner Mama!«
    Sonny erhob sich und schüttelte sich wieder Leben in die Beine, dann zog er seine gelben Lederhandschuhe an und ging auf das verwundete Eichhörnchen zu, das sich durch den blutbefleckten Schnee kämpfte.
    »Ich mach’s, es ist ja auch meins.«
    Das Eichhörnchen schnappte nach Luft und quiekte jämmerlich vor sich hin. Sonny hockte sich davor, ließ eine Hand auf den kleinen Kopf des Eichhörnchens sinken und zog daran, bis der Kopf jeden Kontakt mit dem Körper verlor, aber am Fell hängen blieb. Sonny sah zu, wie sich seine Brust ein letztes Mal senkte, dann sammelte er die anderen Tiere ein und trug sie an den Schwänzen baumelnd zu Ree.
    »Man kann die auch auffädeln, wenn man genug davon hat«, sagte Ree. »Hier, hinter diesem Ding wie ein Knöchel. Man kann zwischen den Knochen ein Loch durchbohren und eine Schnur durchziehen wie bei Fischen. Aber heute brauchen wir keine Schnur. Nicht bei so wenigen.«
    »Lass mich auch eins tragen«, bat Harold.
    Die Sonne stand höher, aber das Licht war noch nicht bis auf den Boden vorgedrungen. Der Pfad war schmal und am Nordhang vereist. Dieses raue Land gehörte den Bromonts, und es war noch nie abgeholzt worden, weshalb hier die größten und ältesten Bäume der Gegend standen. Überall ragten mächtige, alles überragende Eichen in die Höhe, mit Ästen, die zu verknoteten Wirbeln verwachsen waren. Hickorys, Platanen und alle anderen Bäume gediehen ebenfalls prächtig. Die letzten Fichten in der Gegend wuchsen dort oben, und diese Altbestände wurden von jenen Männern hoch geschätzt, die sich mit Sägen anschlichen. Wahrscheinlich konnte man einen Batzen Geld mit dem Holz verdienen, aber der erste Bromonthatte verkündet und es an die anderen weitergegeben, dass dies den Untergang des Hauses nach sich ziehen werde, und trotz mancher harter Jahre hatte bisher noch keine Generation diejenige sein wollen, die das der Familie antun wollte. Großvater Bromont war berühmt dafür gewesen, unzählige Male Holzrücker mit gezückter Waffe verjagt zu haben, und obwohl Dad nicht sonderlich erpicht darauf war, zur Verteidigung der Bäume mit der Waffe herumzufuchteln, hatte er sie, wann immer nötig, geladen und es getan.
    »Schau mal«, meinte Sonny, »ich kann meinen kleinen Finger in das Loch stecken. Geht ganz schön tief rein.«
    »Aber leck dir jetzt nicht den Finger ab.«
    »Ich glaub, ich spür die Kugel.«
    Sie erklommen den Hang und gingen, ihr Frühstück baumelnd an den Schwänzen tragend, zurück zum Haus. Rauch stieg aus dem Schornstein. Auf der anderen Bachseite versuchte ein fluchender Milton einen kalten, unwilligen Pick-up anzuwerfen, während ein anderer Milton mit einem Schraubenschlüssel auf dem Motor herumhämmerte. Ree behielt den Blick auf ihre Seite gerichtet und führte die Jungs den geschwungenen matschigen Pfad entlang zur Rückseite des Hauses.
    »Ree«, fragte Harold, »sind die zum Braten oder zum Kochen?«
    »Wie habt ihr sie denn am liebsten?«
    »Gebraten!« erklärten die Jungs.
    »Okay. Also gebraten. Mit Brötchen, vielleicht, wenn wir alles dafür haben, und Soße obendrüber. Aber als Erstesmüssen wir sie sauber machen. Sonny, du holst das Schneidebrett. Ich glaube, das steht noch dahinten an den Schuppen gelehnt. Harold, du holst das Messer – du weißt, welches ich meine.«
    »Das ich sonst nicht anfassen darf.«
    »Bring es her.«
    Das Schneidebrett war eine verwitterte Holzlatte mit Hunderten von Schnitten und voller Blutflecken. Sonny legte das Brett zu Rees Füßen ab, sie ließ ein Eichhörnchen darauffallen und legte die anderen daneben. Als Harold mit dem Messer zurückkehrte, stand Gail mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf der

Weitere Kostenlose Bücher