Wintersturm
sei. Sie gingen ins erste Stockwerk hinauf, und er besichtigte eingehend die großen Zimmer, die an Gäste und zum Übernachten vermietet werden konnten.
»Bei der Renovierung hat man die kleinen Schlafzimmer zu Badezimmern umgebaut und sie mit den großen Räumen verbunden«, erklärte Dorothy. »Als Folge davon hat man wirklich schöne Wohneinheiten bekommen, die nur gestrichen und tapeziert werden müssen. Die Messingbetten sind allein ein Vermögen wert. Die meisten Möbel sind sehr wertvoll –
schauen Sie sich beispielsweise diese hohe Kommode an. Ich hatte früher ein Geschäft für Innenarchitektur, und es war immer eine meiner Lieblingsideen, an einem Haus wie diesem zu arbeiten. Es bietet unendlich viele Möglichkeiten.«
Er war interessiert. Sie erkannte es an der Art und Weise, wie er sich Zeit nahm, Wandschränke zu öffnen, an Wände zu klopfen und Wasserhähne aufzudrehen.
»Im zweiten Stock sind noch weitere Schlafzimmer, und dann ist da noch Mr. Parrish’s Apartment im dritten Stock«, sagte sie. »Das Apartment war für den im Haus wohnenden Klubmanager gedacht. Es ist ziemlich geräumig und bietet einen wunderbaren Blick auf die Stadt und auf das Meer.«
Er schritt das Zimmer ab und antwortete nicht. Dorothy hatte das Gefühl, daß sie zu viel redete und ihn zu sehr drängte und ging deshalb zum Fenster hinüber. Sie sollte ihm Gelegenheit geben, sich das Haus in Ruhe anzusehen und alle Fragen zu stellen, die ihm einfielen. Beeilen Sie sich doch, beeilen Sie sich doch, dachte sie. Sie wollte hier heraus. Der Drang, zu Ray und Nancy zurückzukehren, in Erfahrung zu bringen, was geschah, wurde immer stärker und überwältigte sie fast.
Angenommen, die Kinder wären irgendwo draußen, diesem Wetter ausgesetzt? Vielleicht sollte sie den Wagen nehmen und hin und her fahren; vielleicht hatten sie sich einfach verlaufen.
Vielleicht, wenn sie dabei die Wälder beobachtete, wenn sie nach ihnen rief… Sie schüttelte den Kopf. Es war einfach albern und unvernünftig.
Gestern, als Nancy Missy bei ihr im Büro ließ, hatte sie gesagt: »Wenn Sie mit ihr weggehen, achten Sie bitte darauf, daß sie die Handschuhe anbehält, sie hat immer so kalte Hände.« Nancy hatte gelacht, als sie Dorothy die Handschuhe überreichte, und gesagt: »Wie Sie sehen, passen sie nicht zueinander – und ich bemühe mich auch nicht mehr, sie aufeinander abzustimmen. Das Kind verliert ewig seine Handschuhe.« Sie hatte ihr einen roten Handschuh mit einem Lachgesicht gegeben und einen blau und grün gescheckten.
Dorothy dachte an das fröhliche Lächeln, mit dem Missy ihre Hände hochgehalten hatte, als sie zu ihrer Fahrt aufbrachen. »Mami hat gesagt, du sollst meine Handschuhe nicht vergessen«, hatte sie vorwurfsvoll erinnert. Später, nachdem sie Mike abgeholt hatten und anhielten, um Eis zu kaufen, hatte sie gefragt: »Darf ich meine Handschuhe ausziehen, wenn ich mein Hörnchen esse?« Glückliches Kind.
Dorothy tupfte sich die Tränen ab, die ihr in die Augen schossen.
Sie gab sich große Mühe, ihre Fassung zurückzugewinnen, und wandte sich wieder John Kragopoulos zu, der gerade seine Notizen über die Zimmergröße beendet hatte. »So hohe Zimmerdecken wie diese hier bekommt man nirgendwo mehr außer in diesen wunderbaren alten Häusern«, freute er sich.
Sie konnte nicht länger herumstehen. »Gehen wir jetzt nach oben«, sagte sie abrupt. »Ich glaube, daß Ihnen die Aussicht vom Apartment aus gefallen wird.« Sie ging voraus in den Flur und zur Vordertreppe. »Ach, ist Ihnen aufgefallen, daß es in diesem Haus vier Heizungsbereiche gibt? Das erspart Ihnen eine Menge Heizkosten.«
Sie schritten schnell die beiden Treppen hinauf. »Das zweite Geschoß ist genauso wie das erste«, erklärte sie, als sie es passierten. »Mr. Parrish hat das Apartment mit Unterbrechungen seit sechs oder sieben Jahren gemietet. Seine Miete ist ziemlich minimal, aber Mr. Eldredge meinte, daß die Anwesenheit eines Mieters Einbrecher abschreckt. Da ist es –
am anderen Ende des Flurs.«
Sie pochte an die Tür zum Apartment. Aber es rührte sich nichts. »Mr. Parrish«, rief sie. »Mr. Parrish.«
Sie öffnete die Handtasche. »Das ist seltsam. Ich kann mir nicht vorstellen, wo er ohne Wagen sein könnte. Aber ich habe irgendwo einen Schlüssel.« Sie begann, in ihrer Tasche herumzukramen, über alle Maßen verärgert. Am Telefon war Mr. Parrish offensichtlich nicht sehr erfreut darüber, daß sie vorhatte, jemanden
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