Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
gefiel John, die verbindliche Antwort und die Art und Weise, in der er die Bar tadellos sauber hielt. Der Kellner legte ihm eine Speisekarte vor. »Wenn Sie Appetit auf Steak haben, das Spezial-Lendenstück ist Klasse«, empfahl er. »Eigentlich ist die Küche zwischen halb drei und fünf geschlossen, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, gleich hier zu essen…«
    »Das klingt ausgezeichnet.« Rasch bestellte John das Steak, nicht durchgebraten, und grünen Salat. Der Chivas wärmte ihn auf, und seine Niedergeschlagenheit fiel allmählich von ihm ab. »Sie machen hier aber einen recht guten Drink«, sagte er.
    Der Barkellner lächelte. »Es gehört ja auch eine ganz besondere Begabung dazu, einen Whisky auf Eis zu mixen«, sagte er.
    »Ich bin aus der Branche. Sie verstehen schon, was ich damit sagen wollte.« John entschloß sich, aufrichtig zu sein. »Ich spiele mit dem Gedanken, dieses Anwesen zu kaufen, das hier
    ›Der Ausguck‹ genannt wird, und ein Restaurant darin einzurichten. Was meinen Sie dazu, so auf Anhieb?«
    Der andere Mann nickte mit Nachdruck. »Könnte gut gehen.
    Ich meine, so als richtiges Klasserestaurant. Hier läuft es prima, aber wir haben ein mittelprächtiges Publikum. Familien mit Kindern. Ältere Damen mit Pension. Touristen, die unterwegs sind zum Strand und zu den Antiquitätenläden. Wir liegen hier an der Hauptverkehrsstraße. Aber ein Haus wie
    ›Der Ausguck‹, mit weitem Blick über die Bucht… mit angenehmer Atmosphäre, einem guten Tropfen, einer guten Küche… Sie könnten Höchstpreise verlangen, und es wäre immer noch gerammelt voll.«
    »Das Gefühl habe ich auch.«
    »Allerdings, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich das alte Scheusal rausschmeißen, das da im oberen Stock wohnt.«
    »Ich habe mich schon über ihn gewundert. Scheint ein bißchen sonderbar zu sein.«
    »Nun, angeblich ist er jedes Jahr um diese Zeit herum zum Angeln hier oben. Ich weiß das deshalb, weil es Ray Eldredge zufällig mal erwähnt hat. Netter Bursche, der Ray Eldredge.
    Das ist der, dessen Kinder verschwunden sind.«
    »Ich hab’ davon gehört.«

    »Verdammte Gemeinheit. Nette kleine Kinder. Ray und Mrs.
    Eldredge kommen ab und zu mal mit ihnen her. Sieht sehr gut aus, Rays Frau. Aber was ich gerade sagen wollte, ich bin kein Einheimischer. Vor zehn Jahren habe ich in New York als Barkellner Schluß gemacht, nachdem ich zum drittenmal zusammengeschlagen worden war, als ich spätabends nach Hause ging. Aber ich war schon immer ein begeisterter Angler.
    So kam es, daß ich hier landete. Und eines Tages, erst vor ein paar Wochen, kommt dieser Dickwanst hier rein und bestellt etwas zu trinken. Ich weiß ja, wer er ist, hab’ ihn schon in dieser Gegend gesehen. Ist der Mieter vom ›Ausguck‹. Nun, ich tue immer mein Bestes, daß sich jeder hier wohlfühlt, seinen Ärger und seine schlechte Laune los wird. Nur um eine Unterhaltung in Gang zu bringen, frage ich ihn also, ob er im September hier war, als die Blauen gingen. Wissen Sie, was dieser Blödian sagt?«
    John wartete.
    »Nichts. Niete. Nullkommanull. Hatte überhaupt keine Ahnung.« Der Barkellner stand da, die Hände in die Seiten gestemmt. »Können Sie sich vorstellen, daß jemand sieben Jahre lang zum Angeln ans Kap kommt und nicht versteht, was ich meine?«
    Das Steak war fertig. Dankbar begann John zu essen. Es schmeckte köstlich. Als sich der Geschmack von dem erstklassigen Fleisch mit der warmen Glut des Alkohols vereinigte, fühlte er sich zusehends wohler, und er begann, über den
    ›Ausguck‹ nachzudenken.
    Was ihm der Barkellner gesagt hatte, hatte ihn in seinem Entschluß, für das Anwesen ein Angebot zu machen, noch bestärkt.
    Es hatte ihm Spaß gemacht, durch das Haus zu gehen. Das Unbehagen, das er dann empfand, setzte erst im Obergeschoß ein. Das war es. In dem Apartment des Mieters, des Mr.
    Parrish, hatte er sich so unbehaglich gefühlt.

    In Gedanken versunken aß John das Steak zu Ende, und ein wenig zerstreut bezahlte er die Rechnung, vergaß aber nicht, dem Barkellner ein großzügiges Trinkgeld zu geben. Dann schlug er den Kragen hoch, verließ das Restaurant und ging zu seinem Wagen hinüber. Sollte er jetzt nach rechts fahren und auf das Festland zusteuern? Ein paar Minuten saß er im Wagen, ohne sich entschließen zu können. Was war mit ihm los? Er benahm sich wie ein Narr. Was für eine verrückte Regung brachte ihn bloß dazu, zum ›Ausguck‹ zurückkehren zu wollen?
    Courtney Parrish war nervös

Weitere Kostenlose Bücher