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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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wenig, und als sie nach dem Geld griff, zitterte ihre Hand.
    Clark wechselte einen unentschiedenen, aber beunruhigten Blick mit Joe Ewing. Taylor würfelte. Er bekam Nancys Scheck.
    »Wie wär’s mit noch einem?«, sagte sie ungestüm. »Ach, egal von welcher Bank – ich hab sowieso überall Geld.«
    Jim begriff – der »gute alte Whiskey«, den er ihr gegeben hatte; der »gute alte Whiskey«, den sie seitdem getrunken hatte. Er wünschte, er wäre mutig genug einzuschreiten – ein Mädchen ihres Alters und ihrer Stellung verfügte bestimmt nicht über zwei Bankkonten. Als die Uhr zwei schlug, hielt er sich nicht länger zurück. »Darf ich – könnte ich mal für dich würfeln?«, fragte er, und seine leise, träge Stimme klang ein wenig angespannt.
    Nancy warf ihm, auf einmal erschöpft und lustlos, die Würfel hin. »Na gut – alter Junge! Wie Lady Diana Manners sagt: ›Lass die Würfel rollen, Jelly-bean‹ – meine Glückssträhne ist vorbei.«
    »Mr. Taylor«, sagte Jim leichtsinnig, »wir würfeln um einen der Schecks im Tausch gegen das Bargeld.«
    Eine halbe Stunde später beugte Nancy sich schwankend vor und klopfte ihm auf den Rücken. »Hast mir mein Glück geklaut, ja, das hast du.« Sie nickte weise mit dem Kopf.
    Jim schnappte sich den letzten Scheck, legte sie alle aufeinander und zerriss sie in kleine Schnipsel, die er auf den Boden rieseln ließ. Jemand fing an zu singen, und Nancy stieß ihren Stuhl zurück und stand auf.
    »Meine Damen und Herren«, hob sie an. »Meine Damen – das bist du, Marylyn. Ich möchte der Welt verkünden, dass Mr. Jim Powell, notorischer Jelly-bean dieser Stadt, die Ausnahme von einer großen Regel darstellt: ›Glück im Würfelspiel – Pech in der Liebe‹. Er hat Glück im Würfelspiel, und, ob ihr’s glaubt oder nicht, ich – ich liebe ihn. Meine Damen und Herren, Nancy Lamar, berühmte dunkelhaarige Schönheit, als eine der Um… Umschwärmtesten der jüngeren Generation so oft im Herald abgebildet, wie auch andere Mädchen da in diesem speziellen Fall abgebildet sind. Gibt sich die Ehre, zu verkünden – also die Ehre, zu verkünden, meine Herren –« Sie kippte plötzlich zur Seite. Clark fing sie auf und brachte sie wieder ins Gleichgewicht.
    »Mein Fehler«, lachte sie, »sie lässt sich – lässt sich herab – also – Wir trinken auf Jelly-bean… Mr. Jim Powell, King of the Jelly-beans.«
    Und als Jim ein paar Minuten später mit dem Hut in der Hand in der Dunkelheit derselben Verandaecke, in die sie vorhin auf der Suche nach Benzin gekommen war, auf Clark wartete, stand sie plötzlich neben ihm.
    »Jelly-bean«, sagte sie, »bist du hier, Jelly-bean? Ich glaube« – und ihr leichtes Schwanken schien Teil eines verzauberten Traums zu sein –, »ich glaube, du hast dir einen meiner süßesten Küsse verdient, Jelly-bean.«
    Einen Augenblick lang lagen ihre Arme um seinen Hals, und ihre Lippen drückten sich auf die seinen. »Ich bin wild und gefährlich, Jelly-bean, aber du – du hast mir einen Gefallen getan.«
    Schon war sie fort, von der Veranda hinunter, und entfernte sich über den grillenlauten Rasen. Jim sah, wie Merritt aus der Eingangstür kam und ärgerlich etwas zu ihr sagte – sah, wie sie lachte und, den Blick von ihm abgewandt, zu seinem Auto ging. Marylyn und Joe, die einen einschläfernden Song über irgendein Jazz Baby sangen, folgten ihr.
    Clark trat auf die Veranda und stellte sich neben Jim an die Treppe. »Alle ziemlich blau, würde ich sagen«, gähnte er. »Merritt ist übler Laune. Der hat bestimmt genug von Nancy.«
    Im Osten, wo der Golfplatz war, legte sich ein feiner grauer Teppich über die Füße der Nacht. Die Gesellschaft im Auto begann zu singen, während der Motor warm lief.
    »Gute Nacht, zusammen«, rief Clark.
    »Gute Nacht, Clark.«
    »Gute Nacht.«
    Eine Pause. Dann fügte eine sanfte, fröhliche Stimme hinzu: »Gute Nacht, Jelly-bean.«
    Lauter Gesang ertönte, als das Auto davonfuhr. Ein Hahn auf einer nahe gelegenen Farm stimmte ein einsames, klagendes Krähen an, und hinter ihnen schaltete ein letzter schwarzer Kellner die Verandalichter aus. Jim und Clark schlenderten zum Ford; ihre Schuhe knirschten geräuschvoll auf dem Kiesweg.
    »Mannomann!«, seufzte Clark leise. »Wie du mit den Würfeln umgehen kannst!«
    Es war immer noch zu dunkel, als dass er die Röte auf Jims mageren Wangen hätte sehen – oder gar hätte wissen können, dass es eine völlig neue, ungewohnte Schamesröte

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