Winterträume
zuletzt um elf gesehen; dann war Clark zum Tanzen hineingegangen. Also schlenderte Jim zum Limonadeausschank, der vorher eine Bar gewesen war. Der Raum war menschenleer, abgesehen von einem schläfrigen Neger, der hinter dem Tresen vor sich hin dämmerte, und zwei Jungen, die an einem der Tische stumpfsinnig mit zwei Würfeln herumspielten. Jim wollte gerade gehen, als er Clark hereinkommen sah. Im selben Moment blickte Clark auf.
»He, Jim«, befahl er. »Komm her und hilf uns mit der Flasche da aus. Ist nicht mehr viel drin, fürchte ich, aber für eine Runde wird’s wohl reichen.«
Nancy, der Mann aus Savannah, Marylyn Wade und Joe Ewing lehnten lässig im Türrahmen und lachten. Nancy suchte Jims Blick und zwinkerte ihm gutgelaunt zu.
Dann gingen sie alle zu einem Tisch, setzten sich und warteten darauf, dass der Kellner ihnen Ginger Ale brachte. Jim schaute ein wenig beklommen zu Nancy hinüber, die inzwischen mit den beiden Jungs vom Nachbartisch Craps spielte.
»Kommt hier rüber«, schlug Clark vor.
Joe schaute sich um. »Wir wollen nicht, dass man uns sieht. Es verstößt gegen die Clubregeln.«
»Ist doch keiner da«, entgegnete Clark, »außer Mr. Taylor. Und der rennt wie ein Verrückter draußen rum und fragt alle, wer das ganze Benzin aus seinem Auto rausgelassen hat.«
Allgemeines Gelächter.
»Ich setze eine Million darauf, dass Nancy mal wieder was am Schuh hatte. Man darf sein Auto nirgends parken, wenn sie in der Nähe ist.«
»Oh, Nancy, Mr. Taylor sucht dich!«
Nancys Wangen glühten vor Aufregung über das Spiel. »Ich habe seine dumme alte Blechkiste seit zwei Wochen nicht mehr gesehen.«
Jim spürte, wie plötzlich Stille eintrat. Er drehte sich um und sah eine Person unbestimmten Alters im Türrahmen stehen.
Clarks Stimme unterbrach das betretene Schweigen. »Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, Mr. Taylor?«
»Danke.«
Mr. Taylor machte sich in all seiner Unwillkommenheit auf einem Stuhl breit. »Muss ich wohl. Ich warte, bis jemand ein bisschen Benzin für mich auftreibt. Irgendwer hat an meinem Auto rumgefummelt.«
Er kniff die Augen zusammen und schaute rasch von einem zum anderen. Jim überlegte, was er von der Tür aus gehört haben mochte – versuchte sich zu erinnern, was sie gesagt hatten.
»Heut geht’s mir gut, so gut«, sang Nancy laut, »und ich setze vier Vierteldollar.«
»Setze dagegen!«, blaffte Mr. Taylor plötzlich.
»Aber Mr. Taylor, ich wusste ja gar nicht, dass Sie Craps spielen!« Nancy war begeistert zu sehen, dass er sich zu ihr gesellt hatte und sofort mitging. Sie hatten aus ihrer gegenseitigen Abneigung kein Hehl gemacht, seit sie eines Abends eine Reihe ziemlich eindeutiger Avancen seinerseits entschieden zurückgewiesen hatte.
»Also los, Babys, tut’s eurer Mama zuliebe. Nur eine kleine Sieben.« Nancy bezirzte die Würfel. Sie schüttelte sie mit kühner, schwungvoller Gebärde in der hohlen Hand und ließ sie auf den Tisch rollen.
»Ah-h! Wusst ich’s doch. Und gleich noch mal – erhöhe um einen Dollar.«
Nach fünf Runden zu ihren Gunsten erwies sich Taylor als schlechter Verlierer. Sie machte das Spiel zu einer persönlichen Fehde, und nach jedem erfolgreichen Wurf sah Jim Triumph in ihrem Gesicht aufflammen. Immer wieder verdoppelte sie ihren Einsatz – eine solche Glückssträhne konnte nicht anhalten.
»Sei lieber vorsichtig«, warnte er sie zaghaft.
»Oh, aber jetzt schau doch«, flüsterte sie. Die Würfel zeigten die Punktzahl Acht, und sie würfelte noch einmal. »Kleine Ada, jetzt geht’s ab in den Süden.«
Ada aus Decatur rollte über den Tisch. Nancy hatte rote Wangen und war halb hysterisch, doch ihre Glückssträhne hielt an. Sie trieb den Einsatz höher und höher und weigerte sich, ihren Gewinn einzustreichen. Taylor trommelte mit den Fingern auf den Tisch, doch er stieg nicht aus.
Dann versuchte Nancy sich an einer Zehn und verlor die Würfel. Taylor nahm sie begierig an sich. Er spielte schweigend, und in der gespannten Stille war das Klackern seiner Würfe auf dem Tisch das einzige Geräusch.
Irgendwann hatte Nancy die Würfel wieder, doch ihre Glückssträhne war vorbei. Eine Stunde verstrich. Es ging hin und her. Taylor war erneut an der Reihe gewesen – und noch mal und noch mal. Am Schluss lagen sie beide gleichauf, und Nancy verlor ihre letzten fünf Dollar.
»Würden Sie einen Scheck über fünfzig von mir annehmen«, sagte sie schnell, »und wir spielen um alles?« Ihre Stimme schwankte ein
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