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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Arm.
    »Oh«, rief sie, »wohin gehen sie denn? Was haben sie nur vor?«
    »Es muss irgendein unterirdischer Fluchtweg –«
    Der Schrei der beiden Mädchen unterbrach ihn.
    »Verstehst du nicht?«, schluchzte Kismine außer sich. »Im Berg sind lauter Sprengladungen!«
    Noch während sie das sagte, hob John die Hand schützend vor die Augen. Die ganze Bergflanke glühte mit einem Mal in einem blendenden Gelb, das durch die Erdschichten leuchtete wie ein starkes Licht durch eine Hand. Die unerträgliche Helligkeit hielt für einige Sekunden an und erstarb dann wie ein ausgeschalteter Glühfaden. Zurück blieb eine schwarze Ödnis, von der langsam blauer Rauch aufstieg und das mit sich trug, was von der Vegetation und den Menschen übrig war. Von den Piloten war keine Spur geblieben – sie waren so vollständig verbrannt wie die fünf, die im Berg verschwunden waren.
    Zugleich bäumte sich das Château mit unerhörtem Getöse auf, zerbrach dabei in brennende Stücke und fiel dann zu einem rauchenden Trümmerhaufen zusammen, der zur Hälfte im See landete. Man sah kein Feuer – ein wenig Rauch trieb im Sonnenlicht davon, und einige Minuten lang stieg feiner Marmorstaub von dem gestaltlosen Schutt auf, der einst das Haus der Edelsteine gewesen war. Es war ganz still. Die drei waren allein im Tal.
    XI
     
    Bei Sonnenuntergang erreichten John und seine beiden Begleiterinnen den Felsgrat, der die Grenze des Besitzes der Washingtons bezeichnete, und als sie sich umblickten, lag das Tal im Abendlicht schön und friedlich unter ihnen. Sie setzten sich und aßen von dem Essen, das Jasmine in einem Korb mitgenommen hatte.
    »So«, sagte sie, als sie die Tischdecke ausgebreitet und die Sandwiches in einem ordentlichen Stapel daraufgelegt hatte. »Sieht das nicht verführerisch aus? Ich finde, unter freiem Himmel schmeckt es einfach besser.«
    »Und mit dieser Bemerkung«, sagte Kismine, »tritt Jasmine in die Mittelklasse ein.«
    »Also«, sagte John eifrig, »dann dreht mal eure Taschen um und lasst sehen, was für Juwelen ihr mitgenommen habt. Wenn du einen guten Griff getan hast, haben wir für den Rest unseres Lebens ausgesorgt.«
    Gehorsam griff Kismine in die Tasche und legte zwei Handvoll glitzernde Steine vor ihm auf den Boden.
    »Nicht schlecht!«, entfuhr es John. »Die sind zwar nicht sehr groß, aber… Moment mal!« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, als er einen der Steine ins Licht der untergehenden Sonne hielt. »Das sind ja gar keine Diamanten! Da stimmt was nicht!«
    »Ach je!«, rief Kismine erschrocken. »Ich bin aber auch zu dumm!«
    »Das sind Bergkristalle!«, sagte John.
    »Ich weiß.« Sie brach in Gelächter aus. »Ich habe in die falsche Schublade gegriffen. Die waren auf dem Kleid von einem Mädchen, das Jasmine besucht hat. Ich habe ihr Diamanten dafür gegeben. Ich hatte bis dahin immer nur echte Edelsteine gesehen.«
    »Und sonst hast du nichts mitgenommen?«
    »Nein, leider.« Sie nahm wehmütig einige Kristalle in die Hand. »Aber die hier gefallen mir besser. Ich bin Diamanten irgendwie leid.«
    »Tja«, sagte John düster, »dann werden wir also in Hades leben müssen. Und du wirst alt werden und fassungslosen Frauen erzählen, dass du in die falsche Schublade gegriffen hast. Leider sind die Bankbücher deines Vaters mit ihm verbrannt.«
    »Und was ist an Hades so schlimm?«
    »Wenn ich in meinem Alter als verheirateter Mann nach Hause komme, wird mein Vater mich wohl mit dem Schürhaken vor die Tür setzen, wie wir da unten sagen.«
    Jasmine meldete sich zu Wort.
    »Ich wasche gern«, sagte sie leise. »Alle meine Taschentücher hab ich immer selbst gewaschen. Ich werde eine Wäscherei eröffnen und für euch sorgen.«
    »Gibt es in Hades denn Wäscherinnen?«, fragte Kismine unschuldig.
    »Klar«, antwortete John. »Es ist ein ganz normaler Ort.«
    »Ich dachte, vielleicht ist es dort zu heiß, um irgendwelche Kleider zu tragen.«
    John lachte.
    »Das kannst du ja mal versuchen! Die werden dich schneller aus der Stadt jagen, als du bis drei zählen kannst.«
    »Wird Vater auch dort sein?«, fragte sie.
    Er sah sie erstaunt an.
    »Dein Vater ist tot«, sagte er düster. »Warum sollte er in Hades sein? Ich glaube, du verwechselst das mit einem anderen Ort, den es schon längst nicht mehr gibt.«
    Nach dem Essen falteten sie das Tischtuch zusammen und breiteten die Decken aus.
    »Was für ein Traum das war«, seufzte Kismine und sah auf zu den Sternen. »Wie seltsam, hier zu sein, mit

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