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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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nur einem einzigen Kleid und einem bettelarmen Verlobten! Unter den Sternen. Sie sind mir bisher nie sonderlich aufgefallen. Ich habe immer gedacht, es wären große Diamanten, die irgendjemandem gehören. Jetzt machen sie mir Angst. Wenn ich sie sehe, habe ich das Gefühl, dass meine ganze Jugend nichts als ein Traum war.«
    »Es war tatsächlich ein Traum«, sagte John leise. »Die Jugend eines jeden Menschen ist ein Traum, eine Art chemischer Verrücktheit.«
    »Wie schön ist es dann also, verrückt zu sein!«
    »Das sagen viele«, erwiderte John traurig. »Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Jedenfalls können wir uns für eine Weile lieben, du und ich, für ein Jahr oder so. Das ist eine Form göttlicher Trunkenheit, die wir versuchen können zu erlangen. Sonst gibt es auf der Welt nur Diamanten – und vielleicht das fadenscheinige Geschenk der Ernüchterung. Tja, die haben wir nun, und ich werde, wie üblich, nichts daraus machen.« Er erschauerte. »Schlag den Mantelkragen hoch, Mädchen – die Nacht ist kalt, und du wirst dir noch eine Lungenentzündung holen. Wer immer das Bewusstsein erfunden hat, war ein großer Sünder. Lasst es uns für ein paar Stunden verlieren.«
    Er wickelte sich in seine Decke und schlief ein.

Winterträume
     
    I
     
    Manche Caddies waren arm wie die Sünde und wohnten in Einzimmerhäusern mit einer neurasthenischen Kuh im Vorgarten, doch Dexter Greens Vater gehörte das zweitbeste Lebensmittelgeschäft in Black Bear – das beste war The Hub mit seiner reichen Kundschaft aus Sherry Island –, und Dexter verdiente sich als Caddie nur sein Taschengeld.
    Im Herbst, wenn die Tage frisch und grau wurden und der lange Winter Minnesotas sich wie der weiße Deckel einer Schachtel über dem Land schloss, glitten Dexters Skier über den Schnee, der die Fairways des Golfplatzes verbarg. In dieser Jahreszeit stimmte das Land ihn zutiefst melancholisch – es kränkte ihn, dass die Rasenflächen zum Brachliegen verurteilt und für lange Monate von zerzausten Spatzen heimgesucht wurden. Trostlos war es auch, dass dort, wo im Sommer fröhliche Farben flatterten, jetzt nur die tristen, knietief mit verharschtem Schnee gefüllten Bunker zu sehen waren. Auf den Hügeln blies der Wind kalt wie die Not, und wenn die Sonne herauskam, stapfte Dexter mit zusammengekniffenen Augen gegen den flachen grellen Schein an.
    Im April ging der Winter jäh zu Ende. Der Schnee rann in den Black Bear Lake hinab und ließ den frühen Golfern kaum Zeit, dem Wetter mit roten und schwarzen Bällen zu trotzen. Ohne Jubel, ohne eine Zwischenphase feuchter Pracht war die Kälte vorüber.
    Dexter wusste, dass dieser nordische Frühling etwas Trübseliges hatte, so wie dem Herbst etwas Herrliches eigen war. Der Herbst ließ ihn die Fäuste ballen, ließ ihn erbeben und immer dieselben blödsinnigen Sätze an sich selber richten und mit jäher, forscher Gebärde imaginären Zuschauern und Armeen Befehle erteilen. Der Oktober erfüllte ihn mit Hoffnung, die der November zu regelrecht ekstatischem Triumph steigerte, und in dieser Stimmung waren die flüchtigen Glanzpunkte des Sommers auf Sherry Island Wasser auf seine Mühlen. Er wurde Golfmeister und schlug Mr. T. A. Hedrick in einer fabelhaften Partie, die auf den Fairways seiner Einbildung an die hundert Mal nachgespielt wurde, eine Partie, deren Details er unermüdlich variierte – mal gewann er mit geradezu lachhafter Leichtigkeit, mal holte er einen anfänglichen Rückstand grandios wieder auf. Oder er stieg wie Mr. Mortimer Jones aus einem Pierce-Arrow-Automobil und schlenderte mit kühler Miene in die Lounge des Sherry Island Golfclubs, und vielleicht gab er sogar, von einer Gruppe Bewunderer umringt, eine extravagante Vorstellung vom Sprungbrett des Clubstegs aus… Im Publikum, das ihm mit offenem Mund zuschaute, befand sich auch Mr. Mortimer Jones.
    Eines Tages geschah es, dass Mr. Jones – er selbst, nicht sein Geist – mit Tränen in den Augen vor Dexter hintrat und ihm sagte, er sei der… der beste Caddie im Club, und ob er sich nicht entschließen könne weiterzumachen, wenn Mr. Jones es ihm lohne, denn alle anderen… alle anderen Caddies im Club verlören regelmäßig einen Ball pro Loch.
    »Nein, Sir«, sagte Dexter entschieden, »ich möchte kein Caddie mehr sein.« Und dann, nach einer Pause: »Ich bin zu alt dafür.«
    »Du bist nicht älter als vierzehn. Warum zum Teufel hast du gerade heute Morgen beschlossen aufzuhören? Du hast mir

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