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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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erwehren, dass die Kleine ihr Kindermädchen völlig zu Recht schlug.
    Das Problem löste sich, als zufällig der Caddiemeister herbeikam, dem das Kindermädchen augenblicklich ihr Anliegen vortrug: »Miss Jones soll einen kleinen Caddie bekommen, und der hier sagt, er hat keine Zeit.«
    »Mr. McKenna hat gesagt, ich soll hier warten, bis Sie kommen«, erklärte Dexter rasch.
    »Nun ist er ja hier.« Miss Jones lächelte den Caddiemeister fröhlich an. Dann ließ sie ihren Golfbag fallen und trippelte hochmütig zum ersten Tee.
    »Also?« Der Caddiemeister wandte sich Dexter zu. »Was stehst du hier rum wie ’ne Schaufensterpuppe? Geh schon los und heb die Schläger der jungen Dame auf.«
    »Ich glaube, ich gehe heute nicht über den Platz«, sagte Dexter.
    »Du gehst nicht…«
    »Ich glaube, ich kündige.«
    Die Ungeheuerlichkeit seines Entschlusses erschreckte ihn selbst. Er war ein begehrter Caddie, und die dreißig Dollar im Monat, die er den Sommer über verdiente, waren sonst rund um den See nirgends zu holen. Aber er hatte einen schweren emotionalen Schock erlitten und musste seiner Erschütterung heftig und unverzüglich Luft machen.
    Ganz so einfach ist es allerdings auch nicht. Denn wie in Zukunft noch so oft, hörte Dexter unbewusst auf seine Winterträume.
    II
     
    Natürlich variierte die Art dieser Winterträume je nach Jahreszeit, doch ihr Stoff blieb sich immer gleich. Sie bewogen Dexter einige Jahre später, ein Wirtschaftsstudium an der State University abzulehnen – sein Vater, der inzwischen zu Wohlstand gelangt war, hätte es ihm bezahlt –, um einer älteren und berühmteren Universität im Osten, für die seine spärlichen Mittel kaum reichten, den zweifelhaften Vorzug zu geben. Doch gewinnen Sie daraus, dass seine Winterträume sich zuerst um die Reichen rankten, nicht den Eindruck, der Junge sei lediglich ein Snob gewesen. Er wollte nicht mit glänzenden Dingen und glänzenden Menschen in Verbindung sein – er wollte die glänzenden Dinge selbst. Oft strebte er nach dem Besten, ohne zu wissen, warum er das tat – und stieß sich bisweilen an den rätselhaften Versagungen und Verboten, die das Leben so liebt. Von einer dieser Versagungen, und nicht von seinem Werdegang insgesamt, handelt diese Geschichte.
    Er machte Geld. Es war schon erstaunlich. Nach dem College ging er in die Stadt, aus der Black Bear seine vermögenden Stammgäste bezieht. Als er kaum dreiundzwanzig und noch nicht zwei Jahre dort war, sagten manche Leute bereits: »Na, das ist mal ein Kerl…« Wo er hinschaute, handelten die Söhne reicher Männer mit unsicheren Wertpapieren oder investierten in unsichere Immobilien oder ackerten sich durch die zwei Dutzend Bände von George Washingtons Wirtschaftslehre, doch Dexter borgte sich mit Hilfe seines Collegeabschlusses und seines selbstbewussten Mundwerks eintausend Dollar und erwarb einen Anteil an einer Wäscherei.
    Es war eine kleine Wäscherei, als er sich dort einkaufte, doch Dexter spezialisierte sich auf die englische Kunst, feine wollene Golfkniestrümpfe zu waschen, ohne sie einlaufen zu lassen, und binnen Jahresfrist war er ganz auf die Zunft der Knickerbockerträger ausgerichtet. Männer bestanden darauf, dass ihre Shetlandstrümpfe und -pullover in seine Wäscherei gebracht wurden, wie sie auf jenem Caddie bestanden hatten, der Golfbälle finden konnte. Wenig später wusch er auch die Spitzenunterwäsche ihrer Ehefrauen – und betrieb fünf Geschäfte in verschiedenen Vierteln der Stadt. Noch nicht ganz siebenundzwanzig, besaß er die größte Wäschereikette der Region. Daraufhin verkaufte er seinen Anteil und zog nach New York. Doch die Geschichte, die uns interessiert, reicht in die Zeit zurück, als er seinen ersten großen Erfolg landete.
    Mit dreiundzwanzig gab ihm Mr. Hart – einer jener grauhaarigen Männer, die gerne sagten: »Na, das ist mal ein Kerl« – für ein Wochenende eine Gästekarte des Sherry Island Golfclubs. Also setzte Dexter eines Tages seinen Namen auf die Liste und spielte noch am selben Nachmittag einen Vierer mit Mr. Hart, Mr. Sandwood und Mr. T. A. Hedrick. Er hielt es nicht für nötig anzumerken, dass er einst Mr. Harts Bag über ebendiese Bahnen getragen hatte und jeden Bunker und jeden Teich mit geschlossenen Augen wiedererkannte, ertappte sich jedoch dabei, wie er sich dann und wann nach den vier Caddies umschaute, in der Hoffnung, dass irgendein Schimmer oder eine Geste ihn an ihn selbst erinnern und die Kluft

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