Winterträume
irgendwelche Barbiere mit Haaren an den Ärmeln zu Ihnen kommen, sagen Sie ihnen, Sie seien zu müde, um sie zu empfangen.«
»Und dann?«
»Dann werden Sie von mir hören«, fuhr er entschieden fort. »Sie reden von der Gesellschaft! In weniger als einem Monat bringe ich Sie in mehr Gesellschaft, als Sie je gesehen haben.«
Weiter wollte er nichts verraten. Er gebärdete sich, als würde sie bald über einem wahren Vergnügungspool hängen und immer wieder kräftig hineingetaucht werden: »Ist es Ihnen vergnüglich genug, Ma’m? Soll ich noch ein bisschen mehr Aufregung einlaufen lassen, Ma’m?«
»Nun«, antwortete Amanthis träge, »es gibt wenige Dinge, für die ich auf den Luxus verzichten würde, den ganzen Juli und August zu verschlafen – aber wenn Sie mir einen Brief schreiben, werde ich – werde ich nach Southampton eilen.«
Drei Tage später klingelte ein junger Mann mit einer gelben Feder am Hut an der Tür der gewaltigen, beeindruckenden Madison Harlan Villa in Southampton. Er fragte den Butler, ob irgendjemand im Alter zwischen sechzehn und zwanzig hier wohne. Er bekam zur Antwort, dass Miss Genevieve Harlan und Mr. Ronald Harlan dieser Beschreibung entsprächen, worauf er eine äußerst sonderbare Karte zückte und in der bezaubernden Mundart Georgias darum bat, man möge sie ihnen vorlegen.
Die Folge war eine fast einstündige vertrauliche Unterredung mit Mr. Ronald Harlan (Student an der Hillkiss School) und Miss Genevieve Harlan (auf Southamptons Bällen durchaus nicht ohne Ruf). Als er ging, verfügte er über eine kurze Notiz in Miss Harlans Handschrift, die er zusammen mit seiner sonderbaren Karte beim nächsten großen Anwesen präsentierte. Zufällig war es das der Clifton Garneaus. Wie durch Zauberei wurde ihm hier eine ebensolche Audienz gewährt.
Er machte weiter – es war ein heißer Tag, und Männer, die es sich eigentlich nicht erlauben konnten, trugen auf offener Straße ihre Jacketts über dem Arm, doch Jim, der aus dem südlichsten Georgia stammte, sah beim letzten Haus noch so frisch und kühl aus wie beim ersten. Er machte an diesem Tag zehn Besuche. Wäre ihm jemand auf seinem Weg gefolgt, hätte er ihn womöglich für einen begabten Schwarzhändler gehalten.
Irgendetwas an seiner überraschenden Frage nach den jugendlichen Mitgliedern der Familie führte dazu, dass hartgesottene Butler ihre Kritikfähigkeit einbüßten. Jedes Mal, wenn er ein Haus verließ, hätte ein genauer Beobachter bezeugt, dass ihm faszinierte Blicke zur Tür folgten und erregte Stimmen etwas von einem baldigen Treffen flüsterten.
Am zweiten Tag sprach er bei zwölf Häusern vor. Er hätte seine Runde eine Woche lang fortsetzen können und nie denselben Butler zweimal gesehen – doch ihn reizten nur die palastartigen, imposanten Häuser.
Am dritten Tag tat er etwas, was man schon vielen Leuten geraten hat und was nur wenige getan haben – er mietete einen Saal. Genau eine Woche später schickte Mr. James Powell ein Telegramm an Amanthis Powell, in dem stand, wenn sie noch immer an den Vergnügungen der besseren Gesellschaft interessiert sei, solle sie den nächstmöglichen Zug nach Southampton nehmen. Er selbst werde sie am Bahnhof erwarten.
Jim war inzwischen kein Müßiggänger mehr, und als sie nicht zu dem Zeitpunkt eintraf, den sie in ihrem Telegramm genannt hatte, wurde er unruhig. Er nahm an, sie würde mit einem späteren Zug kommen, und machte gerade kehrt, um sich wieder seinem Vorhaben zu widmen, als sie den Bahnhof von der Straßenseite her betrat.
»Na, wie sind Sie denn…?«
»Nun«, sagte Amanthis, »ich bin schon heute Vormittag eingetroffen und wollte Ihnen keine Umstände machen, also habe ich mir eine anständige Pension an der Ocean Road gesucht.«
Sie wirkte anders als die indolente Amanthis in der Verandahängematte, dachte er. Sie trug ein taubeneiblaues Kostüm und einen verwegenen jugendlichen Hut mit geschwungener Feder – ihre Aufmachung war derjenigen der jungen Damen zwischen sechzehn und zwanzig, denen neuerdings seine ganze Aufmerksamkeit galt, nicht unähnlich. Ja, sie würde sich sehr gut machen.
Er komplimentierte sie unter tiefen Verbeugungen in ein Taxi und setzte sich neben sie.
»Wäre es nicht an der Zeit, dass Sie mir von Ihrem Plan erzählen?«, schlug sie vor.
»Na ja, es hat mit den jungen Mädchen zu tun, die in der hiesigen Gesellschaft verkehren.« Er wedelte lässig mit der Hand. »Ich kenne sie alle.«
»Wo sind sie denn?«
»Im
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