Winterträume
ihre Verbindung mit dem hochviktorianischen Zeitalter an diesem Punkt jäh endet.
Wenn dies nun ein Kinofilm wäre (was es, wie ich natürlich hoffe, eines Tages sein wird), würde ich so viele tausend Meter Film von ihr aufnehmen, wie ich nur dürfte – ich würde mit der Kamera nah herangehen und den blonden Flaum in ihrem Nacken zeigen, dort, wo das Haar ansetzt, und den warmen Farbton ihrer Wangen und Arme, denn ich stelle mir gerne vor, dass sie schläft, wie Sie selbst in jungen Jahren geschlafen haben mögen. Dann würde ich einen Mann namens Israel Glucose dafür engagieren, irgendeine idiotische Überleitung zu verfassen, und so zu einer anderen Szene wechseln, die sich irgendwo, an keiner besonderen Stelle, weiter unten an der Straße abspielt.
In einem fahrenden Automobil saß ein Südstaaten-Gentleman in Begleitung seines Leibdieners. Er befand sich, in gewisser Weise, auf dem Weg nach New York, wurde jedoch durch den Umstand, dass die obere und die untere Hälfte seines Fahrzeugs sich nicht mehr exakt aufeinanderfügten, ein wenig aufgehalten. Ja, von Zeit zu Zeit stiegen die beiden Insassen aus und schoben die Karosserie Kante auf Kante wieder auf das Chassis, bevor sie, in unfreiwilligem Gleichtakt mit dem Motor leise vibrierend, ihre Fahrt fortsetzten. Sah man davon ab, dass das Auto hinten keine Tür hatte, mochte es zu Beginn des mechanischen Zeitalters gebaut worden sein. Es war mit dem Schlamm von acht Staaten bedeckt, hatte vorne einen riesenhaften, funktionsuntüchtigen Tachometer und hinten einen schmutzigen Wimpel, der die Aufschrift TARLETON, GA. trug. In grauer Vorzeit hatte jemand begonnen, die Haube gelb zu streichen, war jedoch leider nach nur halb getaner Arbeit zu anderen Aufgaben gerufen worden.
Als der Gentleman und sein Leibdiener an jenem Haus vorbeifuhren, wo Amanthis so hübsch in der Hängematte schlief, passierte es – die Karosserie fiel vom Wagen. Meine einzige Entschuldigung dafür, dies so plötzlich zu berichten, ist, dass es eben sehr plötzlich geschah. Als der Lärm sich gelegt, der Staub sich verzogen hatte, stiegen Herr und Diener aus und inspizierten die beiden Hälften.
»Nu’ schau dir das an«, sagte der Gentleman verdrossen, »diesmal ist das verflixte Ding ganz entzweigegangen.«
»Es is kaputt«, stimmte der Leibdiener ihm zu.
»Hugo«, sagte der Gentleman nach einiger Überlegung, »wir müssen uns Hammer und Nägel besorgen und es festnageln.«
Sie schauten zu dem viktorianischen Haus hoch. Ringsherum erstreckten sich nicht ganz ebenmäßige Felder bis an einen nicht ganz ebenmäßigen, unbesiedelten Horizont. Sie hatten keine Wahl, also öffnete der schwarze Hugo das Tor und folgte seinem Herrn den Kiesweg hinauf, wobei er der roten Schaukel und der steinernen Diana-Statue mit ihrem starren, sturmgezeichneten Gesicht nicht mehr als den blasierten Blick des Vielgereisten schenkte.
Just als sie die Veranda erreichten, erwachte Amanthis, setzte sich ruckartig auf und musterte sie von Kopf bis Fuß.
Der Gentleman war jung, vielleicht vierundzwanzig, und sein Name war Jim Powell. Er trug einen engsitzenden, staubigen Anzug von der Stange, dessen Jackett anscheinend zuzutrauen war, dass es jeden Augenblick die Flucht ergreifen würde, denn es wurde mit einer Reihe von sechs grotesk großen Knöpfen am Körper festgehalten.
Auch an den Ärmeln befanden sich überzählige Knöpfe, so dass Amanthis der Versuchung nicht widerstehen konnte, nachzuschauen, ob weitere Knöpfe auch die Seite des Hosenbeins zierten. An seinem grünen Hut flatterte eine Feder irgendeines armen Vogels im warmen Wind. Jim Powell verbeugte sich höflich, während er sich mit dem Hut den Staub von den Knien wischte. Gleichzeitig lächelte er, indem er die blassblauen Augen halb schloss und weiße, schön symmetrische Zähne entblößte.
»Guten Abend«, sagte er in der nicht mehr gebräuchlichen Mundart Georgias. »Meinem Automobil ist da unten beim Tor ein Malheur passiert. Und da frage ich mich nun, ob’s wohl zu viel verlangt wäre, wenn ich Sie für eine kleine Weile um den Gebrauch eines Hammers und um einige Nägel ersuchen würde.«
Amanthis lachte. Eine Weile lang lachte sie haltlos. Mr. Jim Powell lachte höflich und dankbar mit. Allein sein Leibdiener, der tief in der farbigen Adoleszenz steckte, wahrte einen würdevollen Ernst.
»Ich mache mich vielleicht besser erst mal bekannt«, sagte der Besucher. »Mein Name ist Powell. Ich wohne in Tarleton, Georgia. Der Nigger
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