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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Arbeit herausschlagen wollte, hat man sich sechzig Wochen Krankenhaus eingehandelt.« Er brach ab, wechselte den Ton und wandte sich mit einem Lächeln Gretchen zu. »Ganz zu schweigen von dem, was Ihnen bevorsteht. Wie mir scheint, leidet eine Frau noch mehr als ihr Mann unter solchen verrückten Phasen der Überarbeitung.«
    »Mir macht es nichts aus«, beteuerte Gretchen loyal.
    »Doch, es macht ihr etwas aus«, sagte Roger grimmig, »es macht ihr verdammt viel aus. Sie ist ein kurzsichtiges kleines Ding und glaubt, es dauere ewig, bis ich Erfolg habe und sie ein paar neue Kleider bekommt. Aber was will man machen. Betrüblicherweise ist alles, was die Frauen letztlich können, dasitzen und die Hände im Schoß falten.«
    »Deine Vorstellung von Frauen ist seit etwa zwanzig Jahren nicht mehr zeitgemäß«, sagte Tompkins bedauernd. »Frauen sitzen nicht mehr nur da und warten.«
    »Dann sollten sie besser Männer von vierzig heiraten«, beharrte Roger eigensinnig. »Wenn ein Mädchen einen jungen Mann aus Liebe heiratet, sollte sie bereit sein, jedes vernünftige Opfer zu bringen, solange nur ihr Ehemann vorankommt.«
    »Reden wir von etwas anderem«, sagte Gretchen ungeduldig. »Bitte, Roger, lass uns wenigstens heute einen gemütlichen Abend haben.«
    Als Tompkins sie gegen elf vor ihrem Haus absetzte, blieben Roger und Gretchen für einen Augenblick auf dem Gehsteig stehen und sahen zum Wintermond empor. Es fiel ein feiner, feuchter, pudriger Schnee, und Roger atmete tief ein und legte mit einem Glücksgefühl seinen Arm um Gretchen.
    »Ich kann mehr Geld machen als er«, sagte er erregt. »Und das werde ich in nur vierzig Tagen schaffen.«
    »Vierzig Tage«, seufzte sie. »Das kommt mir so lange vor – wo doch alle andern Spaß haben. Wenn ich nur diese vierzig Tage lang durchschlafen könnte.«
    »Warum nicht, Liebling? Tu’s doch, und wenn du wieder aufwachst, steht alles zum Besten.«
    Sie schwieg einen Augenblick.
    »Roger«, fragte sie dann nachdenklich, »glaubst du, dass George es ernst gemeint hat, als er davon sprach, mich am Sonntag zum Reiten mitzunehmen?«
    Roger runzelte die Stirn.
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht – ich hoffe bei Gott, dass er’s nicht so gemeint hat.« Er zögerte. »Offen gesagt, er hat mich ganz schön aufgeregt heute Abend – all dies dumme Geschwätz über sein kaltes Bad.«
    Eng umschlungen machten sie sich auf den Weg ins Haus.
    »Ich möchte wetten, dass er nicht jeden Morgen ein kaltes Bad nimmt«, grübelte Roger weiter, »auch nicht dreimal die Woche.« Er fummelte in seiner Tasche nach dem Hausschlüssel und stieß ihn mit wütender Präzision ins Schloss. Dann wandte er sich trotzig um. »Ich wette, dass er seit einem Monat überhaupt nicht gebadet hat.«
    II
     
    Nach zwei Wochen intensiver Arbeit flossen Roger Halseys Tage ineinander und wurden zu Blocks von zwei, drei oder vier Tagen. Von acht bis siebzehn Uhr dreißig war er in seinem Büro. Dann eine halbe Stunde im Vorortzug, wo er sich in dem trüben gelben Licht auf der Rückseite von Briefumschlägen Notizen machte. Um neunzehn Uhr dreißig lagen dann Bleistifte, Schere und weißes Kartonpapier auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet, und er arbeitete unter reichlichem Knurren und Stöhnen bis Mitternacht, während Gretchen mit einem Buch auf dem Sofa lag und hinter den geschlossenen Jalousien von Zeit zu Zeit die Türklingel gedrückt wurde. Um zwölf gab es immer ein Geplänkel, ob er jetzt wohl zu Bett komme. Er versprach jedes Mal zu kommen, sobald er alles weggeräumt hätte; aber da er sich unweigerlich in ein halbes Dutzend neuer Ideen verrannte, fand er Gretchen gewöhnlich in tiefem Schlaf, wenn er auf Zehenspitzen nach oben ging.
    Manchmal wurde es drei Uhr, ehe Roger seine letzte Zigarette in dem übervollen Aschenbecher ausdrückte, und dann pflegte er sich im Dunkeln auszuziehen, völlig übermüdet, aber mit einem Gefühl des Triumphs, dass er wieder einen Tag durchgehalten hatte.
    Weihnachten kam und ging, und er bemerkte kaum, als es vorbei war. Er erinnerte sich später daran als an den Tag, an dem er die Schaufensterplakate für Garrod’s-Schuhe entworfen hatte. Dies war einer der acht großen Aufträge, die er im Januar zu ergattern hoffte – und wenn er nur die Hälfte davon bekam, waren ihm für das Jahr Einnahmen von einer Viertelmillion Dollar sicher.
    Aber die Welt außerhalb seiner Arbeit wurde ihm zu einem chaotischen Traum. Er war sich bewusst, dass George Tompkins

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