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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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hatten. Während er sich tiefer in seine Arbeit versenkte, kehrte sein Geist unwillkürlich immer wieder zu dieser Frage zurück, und er stand mehrmals auf und ging nervös im Zimmer auf und ab.
    Das Bett war für seine Arbeit denkbar ungeeignet. Mehrere Male rutschte das Papier von dem Brett, auf das er es gelegt hatte, und der Bleistift drückte sich durch. Alles war verkehrt heute Abend. Buchstaben und Zahlen verschwammen vor seinen Augen, und als Begleitung zu dem Pochen in seinen Schläfen waren diese unablässig murmelnden Stimmen zu hören.
    Um zehn wurde ihm klar, dass er seit über einer Stunde nichts geschafft hatte, und mit einem plötzlichen Ausruf des Unmuts sammelte er seine Papiere ein, verstaute sie wieder in der Zeichenmappe und ging hinunter. Sie saßen zusammen auf dem Sofa, als er hereinkam.
    »Oh, hallo!«, rief Gretchen laut, ziemlich unnötigerweise, wie er fand. »Wir haben gerade über dich gesprochen.«
    »Vielen Dank«, entgegnete er ironisch. »Welcher Teil meiner Anatomie war denn unter dem Skalpell?«
    »Deine Gesundheit«, sagte Tompkins heiter.
    »Meine Gesundheit ist in Ordnung«, erwiderte Roger kurz.
    »Aber du gehst mit ihr so selbstsüchtig um, mein Freund«, rief Tompkins. »Du denkst dabei nur an dich. Meinst du nicht, Gretchen hätte auch einige Rechte? Wenn du an einem wunderbaren Sonett arbeiten würdest, an einem Madonnenbild oder dergleichen« – er warf einen Blick auf Gretchens tizianfarbenes Haar –, »ja, dann würde ich sagen, mach weiter. Aber das ist es ja nicht. Nur eine alberne Reklame für Nobald-Haarwasser, und wenn alle Haarwässer, die es je gab, morgen ins Meer gekippt würden, sähe die Welt auch nicht schlechter aus.«
    »Einen Moment«, sagte Roger erregt. »Das ist nicht ganz fair. Über die Wichtigkeit meiner Arbeit mache ich mir nichts vor – sie ist ebenso unnütz wie das, was du machst. Aber für Gretchen und mich ist es so ungefähr die wichtigste Sache der Welt.«
    »Willst du damit sagen, dass meine Arbeit unnütz ist?«, fragte Tompkins ungläubig.
    »Nein, nicht wenn sie irgendeinen armen Trottel von Hosenfabrikanten glücklich macht, der nicht weiß, wie er sein Geld ausgeben soll.«
    Tompkins und Gretchen wechselten einen Blick.
    »Ooooh!«, rief Tompkins ironisch aus. »Ich wusste gar nicht, dass ich all die Jahre nur meine Zeit verschwendet habe.«
    »Du bist ein Müßiggänger«, sagte Roger grob.
    »Ich?«, rief Tompkins wütend. »Du nennst mich einen Müßiggänger, weil ich einen kleinen Ausgleich in meinem Leben habe und Zeit für Dinge finde, die mich interessieren? Weil ich ebenso eifrig Sport treibe, wie ich arbeite, und weil ich mich sträube, nur ein stumpfsinniger, langweiliger Arbeitssklave zu sein?«
    Beide Männer waren jetzt erregt, und ihre Stimmen waren lauter geworden, obwohl auf Tompkins’ Gesicht immer noch der Anflug eines Lächelns blieb.
    »Wogegen ich etwas einzuwenden habe«, sagte Roger langsam, »das ist, dass du in den letzten sechs Wochen dein ganzes Sporttreiben anscheinend hierherverlegt hast.«
    »Roger!«, riefGretchen. »Was willst du damit sagen?«
    »Genau das, was ich gesagt habe.«
    »Er hat nur gerade die Beherrschung verloren.« Tompkins zündete sich mit ostentativem Gleichmut eine Zigarette an. »Du bist dermaßen überarbeitet, dass du nicht mehr weißt, was du sagst. Du bist am Rande eines Nervenzusammenbruchs …«
    »Du verschwindest jetzt von hier!«, schrie Roger wütend. »Du verschwindest jetzt, bevor ich dich hinauswerfe!«
    Tompkins sprang wütend auf.
    »Du – du willst mich hinauswerfen?«, rief er ungläubig.
    Sie wollten tatsächlich aufeinander los, doch Gretchen ging gerade noch dazwischen, und indem sie Tompkins beim Arm nahm, nötigte sie ihn sanft zur Tür.
    »Er benimmt sich wie ein Irrer, George, aber es ist besser, Sie gehen«, schluchzte sie und suchte im Flur nach seinem Hut.
    »Er hat mich beleidigt!«, schrie Tompkins. »Er hat mir mit Hinauswurf gedroht!«
    »Schon gut, George«, flehte Gretchen. »Er weiß nicht, was er sagt. Bitte, gehen Sie! Wir sehen uns morgen früh um zehn.«
    Sie öffnete die Haustür.
    »Du wirst ihn nicht morgen um zehn sehen«, sagte Roger ruhig. »Er wird dieses Haus nie mehr betreten.«
    Tompkins wandte sich an Gretchen.
    »Es ist sein Haus«, gab er zu bedenken. »Vielleicht treffen wir uns besser bei mir.«
    Damit ging er, und Gretchen schloss die Tür hinter ihm. In ihren Augen standen zornige Tränen.
    »Sieh nur, was du angerichtet

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