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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Schuhen vollgepackten Koffer, schloss die Tür und lief rasch die Treppe hinunter.
    III
     
    Gegen fünf Uhr an diesem Nachmittag war der letzte Packen Schaufensterplakate für Garrod’s-Schuhe per Boten an H. G. Garrod im Biltmore Hotel überbracht worden. Es hieß, er wolle bis zum nächsten Morgen eine Entscheidung treffen. Um halb sechs tippte Rogers Stenotypistin ihm auf die Schulter.
    »Mr. Golden, der Verwalter des Hauses, möchte Sie sprechen.«
    Roger wandte sich verwirrt um.
    »Oh, grüße Sie.«
    Mr. Golden kam gleich zur Sache. Falls Mr. Halsey die Absicht habe, das Büro noch länger zu behalten, sei es wohl besser, das kleine Versäumnis bezüglich der Miete sogleich zu beheben.
    »Mr. Golden«, sagte Roger erschöpft, »morgen wird alles in Ordnung kommen. Aber wenn Sie mich jetzt länger aufhalten, kommen Sie nie zu Ihrem Geld. Übermorgen spielt das alles keine Rolle mehr.«
    Mr. Golden sah seinen Mieter mit Unbehagen an. Junge Männer setzten bei geschäftlichen Fehlschlägen manchmal einfach ihrem Leben ein Ende. Da fiel sein argwöhnischer Blick auf den mit Initialen versehenen Koffer neben dem Schreibtisch.
    »Haben Sie eine kleine Reise vor?«, fragte er spitz.
    »Was? O nein. Darin sind nur ein paar Anziehsachen.«
    »Anziehsachen, so? Nun, Mr. Halsey, würden Sie – nur zum Beweis, dass Sie es ehrlich meinen – mir diesen Koffer bis morgen Mittag überlassen?«
    »Nehmen Sie ihn schon.«
    Mr. Golden nahm den Koffer mit einer entschuldigenden Geste.
    »Eine reine Formsache«, bemerkte er.
    »Ich verstehe«, sagte Roger und schwang sich zu seinem Schreibtisch herum. »Auf Wiedersehen.«
    Anscheinend wollte Mr. Golden die Unterhaltung auf einem etwas freundlicheren Ton abschließen.
    »Und arbeiten Sie nicht zu hart, Mr. Halsey. Sie wollen doch keinen Nervenzusammenbruch –«
    »Nein«, brüllte Roger, »will ich nicht. Aber ich bekomme einen, wenn Sie mich jetzt nicht freundlichst in Ruhe lassen wollen.«
    Als die Tür sich hinter Mr. Golden geschlossen hatte, wandte sich Rogers Stenotypistin mitfühlend zu ihm um.
    »Sie hätten ihm das nicht durchgehen lassen sollen«, sagte sie. »Was ist denn in dem Koffer? Kleider?«
    »Nein«, antwortete Roger geistesabwesend. »Nur sämtliche Schuhe meiner Frau.«
    Diese Nacht schlief er im Büro auf einem Sofa neben dem Schreibtisch. Bei Morgengrauen fuhr er erschreckt auf, rannte hinaus auf die Straße, um sich einen Kaffee zu holen, und kam zehn Minuten später in Panik zurück – er fürchtete, womöglich Mr. Garrods Anruf verpasst zu haben. Da war es sechs Uhr dreißig.
    Um acht Uhr war ihm, als liefe ein Feuer über seinen ganzen Körper. Als seine beiden Zeichner kamen, lag er mit fast leibhaftigen Schmerzen auf der Couch. Um halb zehn klingelte gebieterisch das Telefon, und er nahm mit zitternden Händen den Hörer ab.
    »Hallo.«
    »Ist dort die Agentur Halsey?«
    »Ja, ich bin selbst am Apparat.«
    »Hier spricht Mr. H. G. Garrod.«
    Rogers Herzschlag stockte.
    »Ich rufe an, junger Mann, um Ihnen zu sagen: Die Arbeiten, die Sie uns geschickt haben, sind fabelhaft. Wir wollen sie alle haben und noch mehr davon, so viel Ihr Büro schaffen kann.«
    »Oh, mein Gott!«, schrie Roger in den Apparat.
    »Was?« Mr. H. G. Garrod war nicht wenig überrascht. »Hören Sie, bleiben Sie noch am Apparat!«
    Aber er sprach ins Leere. Das Telefon war auf den Boden gepoltert, und Roger, lang hingestreckt auf der Couch, schluchzte, als würde es sein Herz zerreißen.
    IV
     
    Drei Stunden später, etwas blass im Gesicht, aber mit dem friedlichen Blick eines Kindes, öffnete Roger, die Morgenzeitung unterm Arm, die Tür zum Schlafzimmer seiner Frau. Beim Geräusch seiner Schritte wurde sie mit einem Mal hellwach.
    »Wie viel Uhr ist es?«, fragte sie.
    Er sah auf seine Uhr.
    »Zwölf.«
    Plötzlich brach sie in Tränen aus.
    »Roger«, brachte sie stockend hervor, »verzeih, ich war so schlecht zu dir gestern Abend.«
    Er nickte gelassen.
    »Es ist jetzt alles gut«, antwortete er. Dann nach einer Pause: »Ich habe den Auftrag bekommen – den dicksten Auftrag.«
    Sie wandte sich ihm rasch zu.
    »Du hast ihn bekommen?« Dann nach kurzem Schweigen: »Kriege ich vielleicht ein neues Kleid?«
    »Ein Kleid?« Er lachte kurz auf. »Du kannst ein Dutzend bekommen. Dieser Auftrag allein bringt uns vierzigtausend im Jahr ein. Einer der dicksten Brocken im ganzen Westen.«
    Sie sah ihn erschrocken an.
    »Vierzigtausend im

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