Winterträume
auf der Veranda und starrte ihn aus roten Augen bösartig an. Das Haar in seinem Nacken sträubte sich, als Roger ihn ansah; dann knurrte der Wolf leise und verschwand in der Dunkelheit. Da erkannte Roger mit einem tonlosen, freudlosen Lachen, dass es der Polizeihund von gegenüber war.
Mühsam schleppte er sich in die Küche, holte den Wecker ins Wohnzimmer und stellteihn auf sieben. Dann hüllte er sich in seinen Mantel, legte sich auf das Sofa und fiel sogleich in einen schweren, traumlosen Schlaf.
Als er erwachte, gab die Lampe noch einen blassen Schein, aber der Raum hatte das Grau eines Wintermorgens. Er stand auf, sah ängstlich auf seine Hände und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass sie nicht mehr zitterten. Er fühlte sich viel besser. Dann erinnerte er sich im Einzelnen an die Ereignisse des vergangenen Abends, und wieder zog er die Stirn in drei flache Falten. Ihn erwartete Arbeit, vierundzwanzig Stunden Arbeit, und Gretchen, ob sie wollte oder nicht, musste einen weiteren Tag durchschlafen.
Plötzlich hatte Roger eine Erleuchtung, als ob ihm soeben eine neue Idee für eine Reklame eingefallen wäre. Wenige Minuten später eilte er durch die schneidend kalte Morgenluft zu Kingsleys Drugstore.
»Ist Mr. Kingsley schon da?«
Der Kopf des Apothekers schaute um die Ecke der Rezeptur.
»Könnte ich Sie wohl allein sprechen?«
Als Roger um sieben Uhr dreißig wieder nach Hause kam, ging er gleich in die Küche. Die Haushälterin war eben gekommen und nahm gerade ihren Hut ab.
»Bebé« – er war nicht besonders vertraut mit ihr, sondern sie hieß wirklich so –, »ich möchte, dass Sie sofort Mrs. Halseys Frühstück zubereiten. Ich werde es dann selbst hinaufbringen.«
Bebé kam es ungewöhnlich vor, dass ein so schwerbeschäftigter Mann seiner Frau diesen Dienst erwies, doch hätte sie sein Verhalten gesehen, nachdem er das Tablett aus der Küche getragen hatte, wäre sie noch überraschter gewesen. Er stellte das Tablett nämlich auf dem Esszimmertisch ab und tat in den Kaffee einen halben Teelöffel eines weißen Pulvers, das keineswegs Puderzucker war. Dann stieg er die Treppe hinauf und öffnete die Tür des Schlafzimmers.
Gretchen wachte mit einem Ruck auf, warf einen Blick auf das unberührte andere Bett und sah Roger erst erstaunt an, dann voller Verachtung, als sie das Frühstückstablett in seinen Händen sah. Sie dachte, er bringe es zum Zeichen der Kapitulation.
»Ich will gar kein Frühstück«, sagte sie kühl, und ihm sank das Herz in die Hose, »nur etwas Kaffee.«
»Kein Frühstück?« Rogers Stimme klang enttäuscht.
»Ich sagte, ich nehme nur etwas Kaffee.«
Roger stellte das Tablett diskret auf ein Tischchen neben dem Bett und eilte wieder in die Küche hinunter.
»Wir werden ausgehen und bis morgen Nachmittag fort sein«, sagte er zu Bebé, »und ich möchte das Haus jetzt gleich abschließen. Also setzen Sie ruhig Ihren Hut wieder auf, und gehen Sie nach Hause.«
Er sah auf seine Uhr. Es war zehn vor acht, und er wollte den 8-Uhr-10-Zug erreichen. Er wartete fünf Minuten und schlich dann leise nach oben und in Gretchens Zimmer. Sie schlief tief und fest. Die Kaffeetasse war leer bis auf ein paar schwarze Spuren am Rand und einen dünnen braunen Bodensatz. Er betrachtete sie etwas besorgt, aber ihr Atem ging glatt und regelmäßig.
Er nahm einen Koffer aus dem Wandschrank und packte in aller Eile ihre Schuhe hinein – Straßenschuhe, Sandaletten, Schnürschuhe mit Kreppsohlen –, er hatte gar nicht gewusst, dass sie so viele Schuhe besaß. Als er den Koffer schloss, platzte der fast.
Er überlegte eine Minute, nahm eine Schneiderschere aus einer Schachtel, folgte dem Telefonkabel bis dort, wo es hinter dem Frisiertisch verschwand, und trennte es mit einem raschen Schnitt durch. Er fuhr auf, als er ein leises Klopfen an der Tür hörte. Es war das Kindermädchen. Das hatte er ganz vergessen.
»Mrs. Halsey und ich fahren bis morgen in die Stadt«, sagte er geistesgegenwärtig. »Nehmen Sie Maxy mit an den Strand, und essen Sie dort zu Mittag. Bleiben Sie den ganzen Tag.«
Wieder im Zimmer, wurde er von einer Welle von Mitleid erfasst. Gretchen wirkte plötzlich so liebenswert und hilflos, wie sie dort schlief. Es war irgendwie grausam, ihr junges Leben eines ganzen Tages zu berauben. Er berührte ihr Haar mit den Fingern, und als sie in ihrem Traum irgendetwas murmelte, beugte er sich hinunter und küsste sie auf ihre rosige Wange. Dann nahm er den mit
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