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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sie vorsichtig. »Du wirkst, als wärst du jetzt vielleicht so weit, einen Hausstand zu gründen.«
    »Ich möchte diesen Herbst debütieren.«
    »Aber ich dachte…« – Mrs. Dickey unterbrach sich und hüstelte –, »nach allem, was so gemunkelt wurde, hatte ich geglaubt…«
    »Sprich ruhig weiter, Mutter. Was hast du gehört?«
    »Mir ist zu Ohren gekommen, du wärst mit diesem jungen Charles Abbot verlobt.«
    Diana antwortete nicht, und ihre Mutter fuhr nervös mit der Zunge über ihren Schleier. Das Schweigen im Auto wurde bedrückend. Mrs. Dickey war von Diana stets ein wenig eingeschüchtert gewesen – und sie begann sich zu fragen, ob sie zu weit gegangen war.
    »Die Abbots aus Boston sind so nette Leute«, wagte sie sich zaghaft vor. »Ich habe seine Mutter ein paarmal getroffen – sie hat mir erzählt, wie hingebungsvoll –«
    »Mutter!« Dianas Stimme durchbrach kalt wie Eis ihren schwatzhaften Traum. »Es interessiert mich nicht, was du gehört oder wo du es gehört hast, aber ich bin nicht mit Charley Abbot verlobt. Und bitte schneide dieses Thema mir gegenüber nie wieder an.«
    Im November feierte Diana im Ballsaal des Ritz ihr Debüt. Dieser »Einführung ins Leben« war eine gewisse Ironie eigen, denn mit ihren neunzehn Jahren hatte Diana mehr von der Wirklichkeit, mehr Mut, Schrecken und Schmerz gesehen als all die wichtigtuerischen Matronen, die die künstliche Welt bevölkerten.
    Doch sie war jung, und die künstliche Welt duftete nach Orchideen und freundlichem, heiterem Snobismus und Orchestern, die den Rhythmus des Jahres vorgaben und die Traurigkeit und Tiefgründigkeit des Lebens in neuen Melodien anklingen ließen. Nächtelang heulten die Saxophone den wehmutsvollen Beale Street Blues, während goldene und silberne Tanzschuhe zu Hunderten den schimmernden Staub umherschoben. Wenn die graue Teestunde anbrach, gab es immer Räume, die unentwegt in diesem leichten, süßen Fieber erschauerten, und frische Gesichter wurden hierhin und dorthin geweht wie von traurigen Hörnern über den Boden geblasene Rosenblüten.
    Im Zwielicht dieser Welt bewegte sich Diana im Takt der Jahreszeit, hatte jeden Tag ein halbes Dutzend Rendezvous mit einem halben Dutzend Männern und schlummerte im Morgengrauen ein, auf dem Boden neben ihrem Bett die Perlen und Rüschen eines achtlos abgestreiften Abendkleids, das zwischen sterbenden Orchideen lag.
    Das Jahr schmolz in den Sommer hinüber. New York wurde von der Flapper-Mode aufgeschreckt, die Rocksäume wanderten aberwitzig weit nach oben, und die traurigen Orchester spielten neue Melodien. Eine Zeitlang schien Dianas Schönheit diese neue Mode zu verkörpern, so wie sie einst die Erregung des Krieges verkörpert hatte; aber es war deutlich, dass sie keinem Verehrer Hoffnung machte, ja dass ihr Name, so begehrt sie auch war, nie mit dem eines einzelnen Mannes in Verbindung gebracht wurde. Sie hatte hundert »Chancen«, doch wenn sie merkte, dass ein Interesse an ihr zur Verliebtheit wurde, gab sie sich die größte Mühe, die Sache ein für alle Mal zu beenden.
    Ein zweites Jahr ging mit langen Ballnächten und Badereisen in den warmen Süden dahin. Die Flapper-Bewegung wurde in alle Winde verweht und war vergessen; die Röcke fielen plötzlich bis auf den Boden hinab, und es gab neue Saxophonlieder für neue Mädchen. Die meisten, mit denen sie gemeinsam debütiert hatte, waren inzwischen verheiratet – manche von ihnen hatten Babys. Doch Diana tanzte in einer sich wandelnden Welt weiter zu neueren Melodien.
    Im dritten Jahr konnte man sich, wenn man ihr frisches, hübsches Gesicht betrachtete, kaum noch vorstellen, dass sie einmal im Krieg gewesen war. Für die junge Generation war es bereits ein schattenhaftes Ereignis, das ihre älteren Brüder in grauer Vorzeit in Anspruch genommen hatte – vor einer Ewigkeit. Und wenn sein letztes Echo schließlich verhallen würde, dann, so glaubte Diana, wäre auch ihre Jugend vorbei. Jetzt kam es nur noch selten vor, dass jemand sie »Diamond Dick« nannte. Wenn es gelegentlich doch geschah, trat ein seltsamer, verwunderter Ausdruck in ihre Augen, als könne sie die beiden Teile ihres Lebens, das jäh entzweigebrochen war, gar nicht mehr miteinander verbinden.
    Dann, nachdem fünf Jahre ins Land gegangen waren, machte ein Brokerhaus in Boston Bankrott, und Charley Abbot, der Kriegsheld, kehrte gebrochen, vom Alkohol zerstört und mit kaum einem Penny in der Tasche aus Paris zurück.
    Diana sah ihn zum ersten

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