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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Jahr?«
    »Ja.«
    »Großer Gott.« Und dann zaghaft: »Ich wusste ja gar nicht, dass es um so viel geht.« Wieder dachte sie einen Moment nach. »Wir könnten also ein Haus wie das von George Tompkins haben.«
    »Ich mag nicht so einen Ausstellungsladen für Innendekoration.«
    »Vierzigtausend im Jahr!«, wiederholte sie noch einmal und fügte dann weich hinzu: »Oh, Roger …«
    »Ja?«
    »Ich werde nicht mit George Tompkins ausgehen.«
    »Ich würde dich auch nicht lassen, selbst wenn du es wolltest«, sagte er knapp.
    Sie spielte die Entrüstete.
    »Nun, ich bin schon seit Wochen für diesen Donnerstag mit ihm verabredet.«
    »Es ist aber nicht Donnerstag.«
    »Doch.«
    »Es ist Freitag.«
    »Aber Roger, du bist wohl verrückt! Meinst du, ich weiß nicht, welchen Tag wir heute haben?«
    »Es ist nicht Donnerstag«, beharrte er. »Schau her!« Und er hielt ihr die Morgenzeitung hin.
    »Freitag!«, rief sie aus. »Nein, das ist ein Irrtum. Das muss die Zeitung von voriger Woche sein. Heute ist Donnerstag.«
    Sie schloss die Augen und überlegte einen Moment.
    »Gestern war Mittwoch«, sagte sie mit Entschiedenheit. »Gestern war die Waschfrau da. Das werde ich ja wohl wissen.«
    »Nun«, sagte er selbstgefällig, »guck dir die Zeitung an. Da steht es schwarz auf weiß.«
    Mit einem verdutzten Blick stieg sie aus dem Bett und begann nach ihren Kleidern zu suchen. Roger ging zum Rasieren ins Badezimmer. Eine Minute darauf hörte er wieder die Sprungfedern des Bettes. Gretchen war dabei, zurück ins Bett zu gehen.
    »Was ist denn?«, fragte er, während er den Kopf aus der Tür des Badezimmers streckte.
    »Ich habe Angst«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Ich glaube, meine Nerven versagen. Ich kann meine Schuhe überhaupt nicht finden.«
    »Deine Schuhe? Der Schrank ist doch voll davon.«
    »Ich weiß, aber ich sehe keine.« Ihr Gesicht war blass vor Angst. »Oh, Roger!«
    Roger kam an ihr Bett und legte den Arm um sie.
    »Oh, Roger«, jammerte sie, »was ist nur mit mir los? Erst das mit der Zeitung, und jetzt alle meine Schuhe. Gib auf mich acht, Roger.«
    »Ich werde den Arzt kommen lassen«, sagte er.
    Er ging ungerührt zum Telefon und nahm den Hörer auf.
    »Das Telefon scheint nicht in Ordnung zu sein«, bemerkte er nach einer Minute. »Ich werde Bebé hinschicken.«
    Der Arzt kam nach zehn Minuten.
    »Ich glaube, ich stehe kurz vor einem Kollaps«, sagte Gretchen mit gepresster Stimme.
    Doktor Gregory setzte sich auf die Bettkante und nahm ihr Handgelenk.
    »Das scheint heute Morgen in der Luft zu liegen.«
    »Ich bin aufgestanden«, sagte Gretchen eingeschüchtert, »und habe entdeckt, dass ich einen ganzen Tag verloren habe. Ich hatte eine Verabredung zum Reiten mit George Tompkins –«
    »Was?«, rief der Doktor überrascht aus. Dann lachte er. »George Tompkins wird auf längere Sicht mit niemandem zum Reiten gehen.«
    »Ist er verreist?«, fragte Gretchen neugierig.
    »Er ist auf dem Weg nach Westen.«
    »Wieso?«, fragte Roger. »Brennt er mit der Frau eines anderen durch?«
    »Nein«, sagte Doktor Gregory. »Er hatte einen Nervenzusammenbruch.«
    »Was?«, riefen beide im Chor.
    »Er ist einfach unter seiner kalten Dusche zusammengeklappt wie ein Chapeau claque.«
    »Aber er redete doch andauernd von seinem … seinem ausgewogenen Leben«, hauchte Gretchen. »Das lag ihm doch am Herzen.«
    »Ich weiß«, sagte der Doktor. »Er hat den ganzen Morgen davon geschwätzt. Ich glaube, das hat ihn ein bisschen verrückt gemacht. Wissen Sie, er hat hart daran gearbeitet.«
    »Woran?«, fragte Roger verblüfft.
    »Daran, sein Leben auszubalancieren.« Er wandte sich Gretchen zu. »Nun, dieser Dame hier kann ich nur ausgiebige Ruhe verschreiben. Wenn sie einfach ein paar Tage zu Hause bleibt und ein bisschen schläft, wird sie wieder auf dem Posten sein. Sie hat sich irgendwie überanstrengt.«
    »Doktor«, rief Roger mit heiserer Stimme, »meinen Sie nicht, ich hätte etwas Ruhe oder dergleichen nötig? Ich habe in letzter Zeit ganz schön hart gearbeitet.«
    »Sie!« Doktor Gregory lachte und klopfte ihm kräftig auf den Rücken. »Junge, ich hab Sie nie im Leben in besserer Verfassung gesehen.«
    Roger wandte sich rasch ab, um sein Lächeln zu verbergen. – Dann nickte er ein paarmal dem handsignierten Bild von Mr. George Tompkins zu, das etwas schief an der Wand des Schlafzimmers hing.

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