Winterträume
reflektierten Hunderte von Prismen, Würfeln und Splittern das Licht in einem zarten Funkeln – blau und schwarz, gesäumt von Gelb, gelb und blutrot, gesäumt von Schwarz.
Bernice’ Bubikopf
I
Wer am Samstagabend nach Einbruch der Dunkelheit am ersten Abschlag des Golfplatzes stand, konnte die Fenster des Countryclubs als gelben Streifen über einem sehr schwarzen, welligen Ozean leuchten sehen. Die Wellen dieses Ozeans bestanden sozusagen aus den Köpfen etlicher neugieriger Caddies, einiger besonders vorwitziger Chauffeure sowie der tauben Schwester des Golftrainers. Dazu kamen meist ein paar verirrte, zaudernde Wellen, die hätten hineinschwappen können, wenn ihnen danach gewesen wäre; das war der Balkon.
Der erste Rang war drinnen. Er bestand aus einem Kreis von Korbstühlen, die ringsherum die Wände des kombinierten Club- und Ballsaals säumten. Auf den Samstagabendbällen pflegte er überwiegend weiblich besetzt zu sein: ein großes Babel reiferer Damen mit scharfem Auge und eisigem Herzen hinter Lorgnon und stattlichem Busen. Der erste Rang hatte vorwiegend kritische Funktion. Bisweilen bekundete er widerstrebend Bewunderung, niemals aber Beifall, denn unter Damen jenseits der fünfunddreißig gilt es als ausgemacht, dass das junge Volk, das sich im Sommer zum Tanzen versammelt, dies nur mit den schlechtesten Absichten der Welt tut, und wenn man es nicht mit steinernen Blicken bombardiert, wird so manches verirrte Paar in einer Ecke des Ballsaals seltsame, barbarische Intermezzi tanzen, und die attraktiveren, gefährlicheren Mädchen werden sich womöglich in den draußen geparkten Limousinen ahnungsloser ehrbarer Damen küssen lassen.
Und doch ist dieser Kreis von Kritikerinnen der Bühne nicht nah genug, um die Gesichter der Darsteller zu erkennen und die feiner gesponnene Nebenhandlung zu verfolgen. Er kann nur die Nase rümpfen und raunen, Fragen stellen und aus seinen Axiomen befriedigende Schlüsse ziehen, wie etwa jenen, dass jeder junge Mann mit hohem Einkommen das Leben eines gejagten Rebhuhns führt. Für die Dramatik der wechselvollen und oft grausamen Welt der Heranwachsenden hat er letzten Endes kein Verständnis. Nein; Logen, Orchestergraben, Hauptdarsteller und Chor werden von jenem Potpourri aus Gesichtern und Stimmen gebildet, die sich im wehmutsvollen afrikanischen Rhythmus von Dyers Tanzkapelle wiegen.
Von dem sechzehnjährigen Otis Ormonde, der noch zwei Jahre an der Hill School vor sich hat, bis zu G. Reece Stoddard, über dessen heimischem Schreibtisch ein Diplom der Harvard Law School hängt; von der kleinen Madeleine Hogue, der das hochgesteckte Haar oben auf ihrem Kopf immer noch komisch und nicht geheuer vorkommt, bis zu Bessie MacRae, die schon ein wenig zu lange – seit über zehn Jahren –, der Herzschlag jeder Party ist, beherrscht dieses Potpourri nicht nur das Geschehen auf der Bühne, sondern schließt auch diejenigen ein, die allein eines unverstellten Blicks darauf fähig sind.
Mit Tusch und Paukenschlag endet die Musik. Die Paare tauschen ein gekünsteltes, leichtfertiges Lächeln, summen noch einmal spielerisch »la-di-da-da-dum-dum«, und schon übertönt das Geschnatter junger Frauenstimmen den Applaus.
Ein paar enttäuschte Herren, die noch mitten auf der Tanzfläche standen, wo sie eben ein Mädchen hatten abklatschen wollen, zogen lustlos von dannen, denn hier ging es nicht zu wie auf den wilden Weihnachtsbällen – diese sommerlichen Tanzereien, auf denen selbst die jüngeren Ehepaare sich zum nachsichtigen Amüsement ihrer jüngeren Geschwister erhoben und altmodische Walzer oder furchtbare Foxtrotts tanzten, galten bloß als angenehm lau und vergnüglich.
Warren McIntyre, der zwanglos in Yale studierte, war einer der glücklosen Herren, und so tastete er in seiner Jackentasche nach einer Zigarette und schlenderte hinaus auf die große, schummrige Veranda, wo überall Pärchen an den Tischen saßen und die laternenbehängte Nacht mit vagen Wörtern und diesigem Gelächter füllten. Hier und da nickte er einem weniger versunkenen Pärchen zu, und alle naselang erstand ein halbvergessenes Fragment irgendeiner Geschichte in seinem Kopf, denn die Stadt war nicht groß, und jeder gehörte ins Who’s who der Vergangenheit aller anderen. Dort zum Beispiel saßen Jim Strain und Ethel Demorest, die seit drei Jahren heimlich verlobt waren. Alle wussten, dass sie ihn heiraten würde, sobald es ihm gelänge, mehr als zwei Monate dieselbe
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