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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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offenkundig eine Antwort auf sein Signal erwartete. Eine Sekunde später zerriss ein zweiter Pfiff die staubgeladene Luft.
    »Guuun Moooooogn.«
    Mühsam drehte Clark sich in voller Länge um, verbog den Hals und sandte einen schiefen Blick hinauf zum Fenster.
    »Issa gaanüsch Moooogn, Sally Carrol.«
    »Ach, würklich?«
    »Machst ’n grade?«
    »Ess ’n Appel.«
    »Kommste mit baden – haste Lust?«
    »Glaub schon.«
    »Na, vielleicht machste ma ’n bisschen dalli?«
    »Geht in Ordnung.«
    Sally Carrol seufzte ausgiebig und hievte sich mit abgrundtiefer Trägheit vom Fußboden hoch, wo sie immer abwechselnd stückchenweise einen grünen Apfel vertilgt und papierne Püppchen für ihre kleine Schwester bemalt hatte. Sie trat vor den Spiegel, betrachtete mit erfreut-erfreulicher Verträumtheit ihr Gesicht, tupfte sich zwei Kleckse Rouge auf die Lippen und eine Quaste Puder auf die Nase und setzte sich eine mit Streuröschen gemusterte Sonnenhaube aufs maisblonde Haar. Dann stieß sie mit dem Fuß das Malwasser um, sagte »Oh, verdammt!« und ging aus dem Zimmer, ohne sich um die Pfütze zu kümmern.
    »Na, Clark, wie isses so?«, fragte sie, als sie eine Minute später geschmeidig über die Seite in den Wagen glitt.
    »Prima, prima, Sally Carrol.«
    »Wo fahren wir denn hin zum Baden?«
    »Zu Walleys Teich. Ich hab Marylyn gesagt, wir komm’ vorbei und holn sie ab, sie und Joe Ewing.«
    Clark war ein hagerer dunkler Bursche und neigte dazu, krumm zu stehen, wenn er stand. Sein Blick war unheilschwanger, seine Miene etwas störrisch, wenn nicht ein Lächeln sie zum Leuchten brachte, was aber oft geschah. Clark hatte »ein Einkommen« – gerade genug, um bequem davon zu leben und immer Benzin für sein Auto zu haben –, und er hatte nach seinem Studium am Technikum in Georgia zwei volle Jahre damit zugebracht, auf den verschlafenen Straßen seines Heimatstädtchens herumzudösen und den Leuten zu erklären, wie er sein Kapital anlegen müsste, um auf der Stelle reich zu werden.
    Dieses Herumgebummel fiel ihm überhaupt nicht schwer; eine Schar von kleinen Mädchen war inzwischen groß und schön geworden, allen voran die wundervolle Sally Carrol, und alle ließen sich mit Freuden zum Baden abholen oder zum Tanz – oder auch zum Poussieren an den von Blumenduft erfüllten Sommerabenden –, und alle hatten Clark ganz schrecklich gern. War man der Weiber überdrüssig, gab’s noch ein Dutzend junger Burschen, die zwar immer gerade irgendwas vorhatten, aber gern bereit waren, ihn in der Zwischenzeit für ein paar Löcher auf den Golfplatz zu begleiten oder ihm bei einer Partie Billard Gesellschaft zu leisten oder mitzukommen auf ein Viertel vom »Harten Gelben«. Hin und wieder machte einer dieser Zeitgenossen seine Abschiedsrunde, bevor er nach New York ging oder auch nach Philadelphia oder Pittsburgh, um eine Stelle anzutreten, die meisten aber harrten einfach aus und blieben diesem trägen Paradies mit seinen traumverlorenen Himmeln, den Glühwürmchennächten und den lärmenden Niggerstraßenfesten treu – und ganz besonders den anmutigen Mädchen mit den sanften Stimmen, die mit Erinnerungen großgezogen worden waren statt mit Geld.
    Sobald der Ford wieder zu gleichsam rastlos-missmutigem Leben erweckt war, rollten und ratterten Clark und Sally Carrol die Valley Avenue hinunter und weiter in die Jefferson Street, wo der Sandweg zur Pflasterstraße wurde, vorbei an dem wie betäubt daliegenden Millicent Place, wo es ein halbes Dutzend proper-protziger Villen gab, und dann ins Zentrum. Hier war das Fahren richtig gefährlich, denn es war Einkaufszeit; die Einwohner bummelten ziellos durch die Straßen, ein Gespann dunkel muhender Ochsen wurde vor einer geduldig wartenden Straßenbahn hergetrieben; selbst die Geschäfte sahen aus, als wären ihre Türen nur darum offen, weil sie gähnten, und blinzelten mit ihren Schaufenstern in die Sonne, bevor sie wieder zurückfielen in eine Art Koma, ein Koma im letzten, unweigerlich letalen Stadium.
    »Du, Sally Carrol«, sagte Clark auf einmal, »stimmt das einklich, dass du verlobt bist?«
    Sie schoss einen raschen Blick zu ihm rüber.
    »Wo hast du das denn her?«
    »Dann stimmt’s also, dass du verlobt bist?«
    »Na, das is ja ’ne nette Frage!«
    »Eins von den Mädels hat erzählt, du hast dich verlobt mit ’m Yankee, den du vergangnen Sommer oben in Asheville hast kenn’gelernt.«
    Sally Carrol seufzte.
    »Is das vielleicht ’n Nest hier – nix wie Klatsch

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