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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Zwangsvorstellung aber, man könne selbst sein Schicksal lenken, und der von vornherein zum Scheitern verurteilte Versuch, es zu tun, das bleibt einer glücklichen – oder auch unglücklichen – Minderheit vorbehalten. Für mich ist an Ardita das Interessante eben ihr Mut, der seinen Glanz verlieren wird, genau wie die Schönheit und die Jugend.
    »Nimm mich mit«, sagte sie einmal, als sie spät am Abend noch träge im Schatten der ausladenden Palmen saßen. Die Schwarzen hatten ihre Musikinstrumente an Land gebracht, und die bizarren Klänge des Ragtime vermischten sich mit dem warmen Atem der Nacht. »Ich würde furchtbar gerne in zehn Jahren als märchenhaft reiche Oberkasteninderin zurückkehren«, fuhr sie fort.
    Carlyle warf einen raschen Blick zu ihr hinüber.
    »Weißt du was? Das lässt sich machen.«
    Sie lachte.
    »Ist das ein Heiratsantrag? Extrablatt! Ardita Farnam wird Piratenbraut. Mädchen aus der High Society von Ragtime-Bankräuber entführt.«
    »Es war keine Bank.«
    »Und was war’s dann? Warum erzählst du mir nicht, was es war?«
    »Weil ich dir deine Illusionen nicht zerstören will.«
    »Ich mach mir doch gar keine Illusionen über dich, mein Lieber.«
    »Ich meine ja auch deine Illusionen über dich selber.«
    Sie blickte verdutzt auf. »Über mich selber?! Was hab ich denn bitte schön mit irgendwelchen Straftaten zu tun, die du hier oder da begangen hast?«
    »Das wird sich weisen.«
    Sie langte rüber und klopfte ihm auf die Hand.
    »Lieber Mr. Curtis Carlyle«, sagte sie mit sanfter Stimme, »sind Sie in mich verliebt?«
    »Als ob das wichtig wäre.«
    »Aber natürlich ist es das – weil ich in dich verliebt bin, glaube ich.«
    Er sah sie spöttisch an.
    »Womit deine Bilanz für den Monat Januar auf insgesamt ein halbes Dutzend angestiegen wäre«, mutmaßte er. »Und wenn ich’s nun drauf ankommen lasse und dich wirklich bitte, mich nach Indien zu begleiten?«
    »Soll ich?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Wir können in Callao heiraten.«
    »Was für ein Leben kannst du mir denn bieten? Sei mir nicht böse, aber mal im Ernst – was sollte denn wohl aus mir werden, wenn dich die Leute, die auf diese zwanzigtausend Dollar Belohnung scharf sind, eines schönen Tages aufstöbern?«
    »Ich denke, du hast keine Angst?«
    »Hab ich ja auch nicht – aber ich werde nicht, bloß um einem Mann meine Furchtlosigkeit zu beweisen, einfach mein Leben wegwerfen.«
    »Ach, wärst du doch bloß arm gewesen! Ein armes, einfaches kleines Mädchen im warmen Land der Kühe, das träumt, es wäre auf der anderen Seite vom Zaun.«
    »Wär das nicht schön gewesen?«
    »Dann hätt ich meine Freude dran gehabt, dich in Erstaunen zu versetzen – dir dabei zuzuschauen, wie du vor den Dingen stehst und große Augen machst. Ach, wenn es doch bloß Dinge gäbe, die du wirklich haben willst! Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich weiß schon – wie die Mädchen, die sich an den Schaufensterscheiben der Juweliergeschäfte die Nase platt drücken.«
    »Ja – und die die große rechteckige Armbanduhr haben wollen, die aus Platin mit den ganzen Diamanten rund ums Zifferblatt herum. Aber dann würdest du sagen, die ist zu teuer, und würdest dir stattdessen eine aus Weißgold aussuchen, die nur hundert Dollar kostet. Doch ich würde sagen: ›Teuer? Da bin ich aber andrer Ansicht!‹ Und dann würden wir reingehn, und schon würde dieses Platinding an deinem Handgelenk glitzern.«
    »Ach, das hört sich so lieb an und so geschmacklos – und lustig, nicht wahr?«, murmelte Ardita.
    »Ja, nicht wahr? Kannst du dir nicht vorstellen, wie wir durch die Weltgeschichte reisen und nur so um uns werfen mit dem Geld, und wie wir der Schwarm sämtlicher Kellner und Hotelpagen sind? Oh, selig sind, die einfach reich sind, denn sie werden die Erde besitzen!«
    »Ich wünschte ganz ehrlich, wir könnten so sein.«
    »Ich liebe dich, Ardita«, sagte er zärtlich.
    Da verlor ihr Gesicht auf einmal einen Augenblick lang sein kindliches Aussehen und wurde eigentümlich ernst.
    »Ich liebe es, mit dir zusammen zu sein«, sagte sie, »ich kenne keinen Mann, mit dem ich so gerne zusammen bin wie mit dir. Und ich liebe dein Aussehen und dein dunkles altes Haar und die Art, wie du seitwärts über die Reling springst, wenn wir an Land kommen. Ja, wirklich, Curtis Carlyle, ich liebe all die Dinge, die du tust, wenn du vollkommen natürlich bist. Ich glaube, du hast Mut und Kraft, und du weißt ja, wie ich darüber denke. Manchmal spür

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