Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
suchte.
»… eine Zwangsschwester«, half ich aus. »Im Prinzip hab ich ja nichts gegen Nell und Otto. Es ist das Gesamtpaket, Ma. Als wir nur zu zweit waren, war es einfach schöner.«
»Findest du?«
»Ja.«
»Ich finde es schön, wie es jetzt ist. Denk doch nur daran, wie gemütlich es war, als wir Plätzchen gebacken und dazu gesungen haben.«
»Nachbarn können auch zusammen singen und backen. Jedenfalls dann, wenn sie nicht verfeindet sind«, widersprach ich ihr.
»Holly, nun mach’s dir und uns doch nicht so schwer. Warum kannst du dich nicht einfach damit abfinden, dass wir jetzt zu viert sind?« Biene goss Milch in ihren Kaffee, den sie normalerweise immer schwarz trank. Sie nahm einen Schluck, stutzte, rümpfte die Nase, stand auf, setzte sich wieder und murmelte: »So schlecht schmeckt Milchkaffee eigentlich gar nicht.«
Jetzt kam Nell die Treppe herunter und setzte sich zu uns. Sie hatte schon wieder die Haare gewaschen und roch nach Seife und Shampoo. »Guten Morgen«, sagte sie vergnügt und griff nach dem Milchkrug. »Biene, ich find’s toll, dass du Frühstück für uns machst. Früher musste ich das besorgen.« Sie verzog das Gesicht. »Genau genommen hab ich nur die Müslitüte auf den Tisch geknallt und die Milch aus dem Kühlschrank dazu gestellt. Blöderweise war sie meistens entweder sauer oder reichte nicht für uns beide, oder ich hatte vergessen, welche zu besorgen. Aber jetzt sind wir eine richtige Familie und …«
»Du blöde Kuh!«, schrie ich. »Das sagst du nur, um dich bei Biene einzuschleimen!« Ich sprang auf, schnappte Jacke und Rucksack und rannte aus dem Haus. Wie immer warteten Ben und Matteo an der Ecke, aber wie von Furien gehetzt, sauste ich an ihnen vorbei und wieder mal bei Rot über die Straße. Ein Fahrer hupte und trat auf die Bremse, die Räder des nachfolgenden Autos quietschten, aber ich kümmerte mich nicht darum: Nell, die blöde Schlange, hatte mit uns das große Los gezogen – aber was war mit mir? Alle erwarteten von mir, dass ich mich mit dem veränderten Leben abfinden würde. »Ich will das nicht, ich kann das nicht!«, schrie ich so laut, dass die Passanten auf dem Gehweg erschrocken stehen blieben und mir nachschauten. Ich vergaß sogar, vor Pittis Obst- und Gemüsehandlung die Straßenseite zu wechseln, was ganz klar bewies, wie schlecht es mir ging. Und dann, kurz vor der Schule, wartete auch noch Pauli in seiner weinroten Steppjacke auf mich.
»Halt!«, rief er. »Holly, ich muss mit dir reden!«
»Musst du nicht!«
»Doch! Unbedingt! Es geht um deinen Wichtel!«
»Der kann mir gestohlen bleiben!«
»Wenn’s aber doch ein Mädchen ist!« Er griff nach meinem Arm.
»Was sagst du da?«
»Holly!« Pauli keuchte. »Holly, dein Wichtel ist ein Mädchen!«
Jetzt blieb ich stehen. »Quatsch. Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es eben.«
»Bist du dir sicher?«
Pauli zögerte. »Ich bin mir fast sicher.«
Ich schnaubte. »Fast ist nicht ganz. Klar?«
»Nein.« Er hielt mich so fest, dass ich stehen bleiben musste. »Hör zu, Holly. Ich hab alle Jungs gefragt, ob sie dir wichteln würden, aber niemand hat Ja gesagt. Dann muss es logischerweise ein Mädchen sein.«
»Blödmann! Mensch, Pauli, das beweist gar nichts, weil der Name bis zuletzt geheim bleiben muss«, entgegnete ich. »Das ist doch der Witz an der Geschichte.«
Beim »Blödmann« zuckte er ein bisschen zusammen, aber er ließ mich nicht los. »Dann steht’s eben fifty zu fifty«, sagte er störrisch. »Die fünfzig Prozent reichen mir.«
»Ich kapier überhaupt nichts. Wozu reichen dir fünfzig Prozent?«
Er griff in seine Jackentasche und holte eine ziemlich weiche Mon-Chérie-Praline heraus, die er aus dem Papierchen wickelte und mir in den Mund schob. »Holly, ich kann nichts dagegen tun. Ich hab mich in dich verliebt.«
»Echt?«
»Ja. Und … weil alle Jungs sagten, sie würden dir nicht wichteln, ist ja auch kein anderer in dich verliebt. Da hab ich doch ’ne gute Chance, dass du und ich … «
Ich dachte an das Geschenkpapier, das ich in Pittis Mülleimer gesehen, und an das Goldband, das Matteo um seinen Finger gewickelt hatte. »Wenn es doch ein Junge sein sollte?«, fragte ich. »Wärst du dann immer noch in mich verliebt?«
Er nickte. »Der Wichtel ist nicht unbedingt mein Problem.«
»Wie meinst du das?«
»Angenommen«, sagte Pauli cool. »Mal angenommen, der Wichtel wäre ein Junge, den du überhaupt nicht leiden kannst. Würdest du ihn zum
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