Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
die dicken Wolken gekämpft. So entschied sie sich zu einem Ausritt. Ihre Wahl fiel dabei auf Merlin. Er war schon viel zu lange nicht mehr richtig bewegt worden. Zu einem Ausritt auf Whisper hatte sie Bedenken, und bevor sie auf Roga ausritt, wollte Arrow erst die Erlaubnis von Row einholen, was gar nicht so einfach war, da er, seit er ihr das Einhorn überlassen hatte, nicht wieder aufgetaucht war.
Es war ein schöner Tag. Sie alle tollten durch den Schnee und genossen die Bewegung sichtlich.
Der große Whisper wurde hier und da respektvoll angestarrt, doch sonst sagte keiner der Dorfbewohner etwas und auch Roga wurde noch immer nicht als Einhorn erkannt.
Als Arrow gegen Mittag wieder im Schloss ankam, wurde sie schon am Tor von Anne abgefangen.
„Kind, komm schnell. Wir brauchen jetzt jede Hilfe. Uns läuft die Zeit davon.“
Anne klang so besorgt, wie es selten der Fall war.
„Ist etwas mit Keylam? Geht es ihm gut?“, fragte Arrow.
Doch Anne schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ihm geht es gut. Doch eine schlimme Nachricht hat uns erreicht. Frau Perchtas Dämonen sind unterwegs. Sie verwüsten Land und Dörfer!“
„Aber wie kann das sein?“, erwiderte Arrow fassungslos. „Es ist doch gar nicht ihre Zeit!“
„Es heißt, dass einer ihrer Generäle die Anwesenheit eines Geistes gespürt hat, den sie vor einigen Jahren bei einem ihrer Streifzüge verloren haben“, erwiderte Anne nervös.
„Verloren?“, fragte Arrow überrascht.
„Ja. Eigentlich ist es unmöglich, ihr zu entkommen, es sei denn, sie gibt denjenigen frei – was bisher noch nie geschehen ist. Doch das allein ist noch nicht das Seltsamste.“ Anne schaute hilflos. Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden für etwas, das ihr unerklärlich schien. „Anscheinend ist das Fehlen dieses Geistes vorher nie bemerkt worden. Bei den letzten Streifzügen erst wurde seine Anwesenheit gespürt. Seitdem suchen die Dämonen ihn.“
„Und jetzt bezwecken sie, ihn zurückzuholen?“, fragte Arrow nervös.
Anne nickte. „Der Geist muss sehr kostbar sein, wenn Perchta ihre Dämonen sogar außerhalb der einzuhaltenden Zeiten ausschickt. Ab sofort entfallen die Gesetze der Wilden Jagd. Frau Perchta wird jetzt jede Nacht jagen – bis sie ihn gefunden hat. Wir müssen uns beeilen!“
Geschwind sprang Arrow von Merlin ab. Sofort machte sie sich an die Arbeit. Glücklicherweise war nicht sehr viel zu tun, denn das Schloss war ja vom Prinzip her immer sehr rein gehalten, doch auch diese Gewissheit konnte die Anspannung nicht vertreiben.
Während Arrow den Pferdestall säuberte, dunkelte Anne ihr Gewächshaus ab. Harold prüfte alle Fensterläden und Sally reinigte die Küche.
Bis zum Abend hatten sie alles erledigt und standen besorgt an der Tür, um auf das Heulen zu warten.
Das Gefühl war erdrückend. Die Zeit verging quälend langsam, und als es dämmerte, hielt ein jeder die Luft an. Sie wollten nicht glauben, dass die Regeln außer Kraft gesetzt wurden, dass Perchta sie von nun an jede Nacht heimsuchen würde. Alle hofften sie, dass es nur ein schlechter Scherz war. Doch das war es nicht. Mit dem letzten Sonnenstrahl ertönten die fürchterlichen Schreie in der Ferne.
Schweren Herzens verschlossen sie das Tor.
„Ich kann es nicht glauben. Als hätten wir nicht schon genug Probleme“, fluchte Arrow gequält.
„Vielleicht ist es nur für diese eine Nacht. Möglicherweise finden sie ihn schnell und er ganze Spuk ist vorbei, bevor er richtig begonnen hat.“
Arrow wusste, dass Anne sich ihre Worte selbst nicht abnahm, aber es war ihr egal. Die Situation war, wie sie war, und schlechte Laune würde daran nichts ändern können.
„Sally!“, rief Anne.
Die Köchin drehte sich um.
„Wohin hast du Keylams Bettlaken getan? In seiner Kammer konnte ich es nicht finden.“
Sally wurde kreidebleich. „Ich dachte, du hättest es von der Leine genommen“, erwiderte sie schluchzend.
Harold und Sally wechselten ängstliche Blicke und auch Anne musterte Arrow streng.
„Das Laken?“, fragte Arrow ungläubig.
Anne nickte. „Hat es etwa niemand von der Leine genommen?“
Harold schüttelte den Kopf. „Sally hatte heute Morgen schon alles abgenommen.“
„Aber ich habe es am Morgen noch gewaschen und in die Sonne gehangen“, erwiderte Anne aufbrausend. „Ihr müsst es doch bemerkt haben. Ihr wart die ganze Zeit dabei!“
Niemand antwortete.
„Kann es vielleicht sein, dass Sally noch einmal draußen war und es abgenommen hat?“
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