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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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Pärchen schmuste fast so
schlimm an unseren Tisch wie ein Paar in der Hochzeitsnacht. Das war etwas für
Helga, die sind doch nicht normal in dem Alter. Ich denke, dass sie bestimmt
die 50 überschritten hatten. Die sind bestimmt nicht verheiratet. Auf Wallfahrt
zu Fuß können die auch nicht sein, dafür sind sie zu modisch und sehr teuer
gekleidet. Trotzdem halfen sie uns bei der Bestellung der einzelnen
Menügerichte. Wir hatten uns als Vorspeise eine Fischsuppe bestellt. Sie
schmeckte gut, leider hatte sie sehr viele kleine Gräten. Unser Engländer hatte
scheinbar eine Grätensuppe bestellt, er spuckte ununterbrochen. Was hatten wir
eine Freude. Schadensfreude ist doch die schönste Freude, weil sie von Herzen kommt.
Helga war sehr zufrieden, der Streichelheini hatte seine Strafe bekommen. Auch
als Hauptgericht hatten wir Fisch bestellt. Es war eine kleine Portion aber
sehr schmackhaft. Helga bekam zum Nachtisch frischen Ananas und ich meinen
Karamellpudding. Ab 21:20 war für uns Bettruhe.

Carrión de los Condes — Calzadilla de
la Cueza
     
    18 km, 120 m
Aufstieg, 70 m Abstieg
    Donnerstag,
den 5. Mai 2011
     
     
    N ach einer
ruhigen Nacht haben wir heute etwas länger geschlafen. Die Ordensschwestern
hatten gestern schon darauf hingewiesen, dass wir uns ruhig ausschlafen
könnten. Jeder gehe zu seiner Zeit. Wir haben in Ruhe gefrühstückt und machten
uns dann auf unserem Weg durch die Meseta. Im Pilgerführer steht, unbedingt an
genügend Wasser und Proviant denken. Auch nicht die Kopfbedeckung vergessen.
Wir haben an alles gedacht. Helga hatte gestern bei ihrem Stadtbummel viel zu
viel für sich eingekauft, nun muss sie das heute alles schleppen. Seit einigen
Tagen hat sie eine neue Sucht und das ist Cola. Es gibt sie hier in zwei Liter
Flaschen. »Zuhause rühre ich so was nicht an, aber hier brauche ich jeden
zweiten Tag eine Flasche«, so sagte sie mir. Eigentlich als Diabetikerin sehr
ungesund, aber bei unseren Märschen verbrennt der Körper so einiges. Zusätzlich
hatte sie sich einen Liter Joghurtgetränk gekauft. Für sie drei Kilogramm mehr
an Gepäck. Heute werden wir die 12 km lange alte Römerstraße »Via Aquitana«
gehen. Sie ist schnurgerade und absolut schattenlos. Unser Weg führte uns über
den Río Carrión. Leider waren die ersten drei Kilometer asphaltiert. Endlich
die alte Römerstraße ein sehr breiter Schotterweg. Helga war in Hochform, sie
marschierte wie ein Profi, ich dackelte hinterher. Der Weg war endlos. Unsere
Gespräche wurden immer weniger. Haben wir uns am Anfang noch über die
ankommenden SMS unterhalten, welche uns von ihrer Familie fast täglich
erreichten und uns erfreuten, so gab es bald das große Schweigen. Jeder ging
seinen eigenen Gedanken nach. Wir überschritten den Río Seco. Jeder Rastplatz
wurde mit Freuden erwartet, fünfzehn Minuten Pause. Hat die Schulter vorher so
stark geschmerzt, das man denkt es geht nicht mehr weiter, so war nach dieser
Pause alles vergessen. Ein bisschen Wasser getrunken ein leckeres Mars gegessen
und die volle Kraft war wieder da. Herrlich in Gottes Garten zu gehen. Viele
Vögel haben uns heute begleitet. Ich habe bei uns in der Presse gelesen, dass
der Kuckuck in ein paar Jahren aussterben könnte, wenn die Erderwärmung weiter
so fortschreiten würde. Wenn er als Zugvogel eintrifft, hätten unsere
sesshaften Vögel schon gebrütet und er könnte sein Ei nicht mehr unterbringen.
Das kann tatsächlich unser Problem in Deutschland werden. Ich denke vieles wird
sich in unserer Welt durch die Erderwärmung verändern. Es wird immer in den
Jahrtausenden Veränderungen in der Natur gegeben haben. Wir sind im Moment
mittendrin. Auch bei uns hat man schon Vögel und Insekten aus wärmeren Ländern
angetroffen. So hat sich auch der Kuckuck bestimmt schon lange umgestellt. Der
Weg von Afrika nach Spanien ist bedeutend kürzer als nach Deutschland. Seine
Rufe begleiten uns jeden Tag. Nach fünf Kilometer sollte eine Kapelle sein. Wir
laufen schon so lange und haben keine gesehen. Nach weiteren fünf Kilometer
sollte ein Café sein, auch das gab es nicht. Ein Glück, dass wir genügend
Getränke mitgenommen hatten. An allen Brunnen stand in Spanisch »kein
Trinkwasser«. War dies der falsche Weg? Es konnte nicht sein, so viele Pilger
liefen den gleichen. Warum steht nicht ein einziges Schild hier und gibt die
Entfernung zum nächsten Ort an? Wir müssen weiter, irgendwo ist der Weg zu
Ende. Ein Glück das wir einen schönen Sonnentag mit

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