Wir beide nahmen die Muschel
vielleicht 18°C haben. Wie
wird der Weg erst bei starkem Regen sein, nicht auszudenken? Wir überschreiten
nun den Río Cueza. Ich lasse wieder meine Gedanken in weite Ferne schweifen.
Das Fernsehen zeigte gestern in einer Bar immer wieder Berichte zum Tode von
Bin Laden. Endlich haben die Amerikaner diesen Verbrecher ausgeschaltet. Ich denke,
er war bestimmt schon länger nicht mehr die Nummer eins. Wie wird es
weitergehen? Wo werden die nächsten Anschläge sein? Welche Menschen werden
darunter zu leiden haben? In Amerika oder in England, oder vielleicht bei uns?
Hat man nicht auch bei uns im Mittelalter die Menschen mit Schwert und
Rosenkranz zum Christentum bekehrt, so wird jetzt eben der Islam verbreitet.
Ist das noch Glauben? Ich denke nein! Endlich sehen wir, über einen Hügel
kommend, vor uns eine Kirchturmspitze. Helgas Schritte werden schneller, ich
kann da nicht mithalten. Bald ist sie hinter einem Hügel nicht mehr zu sehen.
Meine Füße sind müde, meine Schulter schmerzt ohne Ende. Ich mache 10 Minuten
Pause. Einige Pilger überholen mich und grüßen. Man kennt sich, man hat sich in
den letzten Tagen immer wieder auf dem Weg getroffen. Ein älteres Spanische
Ehepaar überholt mich, sie beten beide den Rosenkranz. Muss dieses Paar tief im
Glauben verwurzelt sein. Nun aber weiter, damit der Abstand nicht zu groß wird.
Eine Zeitlang geht es wieder. Vier Fahrradpilger überholen mich. Der Erste ist
bestimmt ein Enkel von Caruso. Er schmettert seine Arien auf dem Camino. Wie
gerne würde ich mit ihm unsere Lieder vom Männerchor Parabel singen, oder mit
Helga in einer offenen Kirche noch einmal das »Halleluja« singen. Leider fehlt
mir jetzt für alles die Kraft. Hoffentlich kommt heute keiner in unsere
Albergue und erzählt, er wäre heute vierzig Kilometer gegangen. Wie oft haben
wir das schon erlebt? Ich denke das sind »Berufspilger«. Ich bin heute nur
achtzehn Kilometer gegangen, habe aber den Weg in mich aufgenommen und war ein
Teil der Meseta und darauf bin ich sehr stolz. Sollen alle den Weg abrennen,
sie werden es später bereuen. Ich werde den Weg genießen und alles zu Papier
bringen. Wer die Zeit und das Geld hat, sollte diesen Weg gehen. Er wird einen
für lange Zeit formen. Endlich nach 45 Minuten erreiche ich den größeren Ort
mit nur 55 Einwohnern. Sehr viele Häuser sind unbewohnbar. Das erste Haus auf
der linken Seite ist die einzige Albergue im Ort, ihr Name »Camino Real«. Im
Unterkunftsverzeichnis wurde sie mit ungenügend bewertet. Hoffentlich wurde sie
zum Heiligen Jahr renoviert. Im Eingang steht Helga und winkt. Als
Herbergsmutter hatten wir eine junge deutsche Frau. Vor Tagen war sie mit uns
noch den Weg gegangen. Sie war sehr schön und selbstbewusst und vertrat für
zwei Tage die Herbergsmutter. Die Wände waren, wie im Unterkunftsverzeichnis
stand, vorher sehr verschimmelt gewesen. Man hatte ihn einfach mit weißer Farbe
überstrichen, so langsam kam er wieder zutage. Herrgott wir sind Pilger und
suchen ein Bett für unser müdes Haupt, wer mehr wünscht soll für teures Geld in
ein Hotel gehen. Ich bin zufrieden. Wenn es diese Nacht dunkel ist, werde ich
es nicht sehen. Raus aus den verschwitzten Sachen und geduscht. Es waren sehr
kleine Zellen aber es ging gerade noch. Wir hatten sehr saubere Bettwäsche
bekommen. In fast allen Unterkünften schläft man auf der nackten Matratze. Wir
konnten also zufrieden sein. Helga hatte diesmal wieder ein oberes Bett
bekommen und legte sich zur Ruhe. In einer 200 m entfernten Bar setzte ich
mich, erstand für 4,50 Euro eine gute Flasche Vino Tinto und schrieb weiter an
meinem Buch. Um 19:30 Uhr werden wir hier unser Pilgermenü bekommen. Ich
schreibe in meinem Buch: »Camino Francés ich liebe dich, du verlangst von mir
alles und schenkst mir so viel«. Es ist nun bald 18:00 Uhr und erst jetzt
trifft ein älterer Pilger aus Korea ein. Er geht immer allein. Er wird in
meinem Alter sein. Er ist der typische Einzelgänger. Er sucht absolut zu
niemand Kontakt. Beim Eintritt in dieser Bar bestellte er sich etwas zum Essen
und setzt sich an einem Nebentisch. Wir haben uns in den letzten Wochen
häufiger auf dem Weg gesehen. Immer schleppt er zu seinem Rucksack noch eine
schwere Plastiktüte mit. Wie gerne hätte ich mich einmal mit ihm unterhalten.
Über seine Beweggründe diesen Weg zu gehen. Über seine Schwierigkeiten am
Camino. So viele Menschen lernt man auf diesem Weg kennen. Mit einigen hat man
sich unterhalten, viele bleiben einem
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