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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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los Condes
     
    26,3 km, 88
m Aufstieg, 20 m Abstieg
    Mittwoch,
den 4. Mai 2011
     
     
    N ach dieser
unruhigen Nacht standen die ersten Pilger zu meinem Glück erst um 6:00 Uhr auf.
Einer machte unverschämter Weise schon um 6:15 Uhr das große Licht an. Na ja,
dann stehen wir auch auf. Leider gab es keine Möglichkeit zum Frühstücken und
so gingen wir ohne um 7:15 Uhr los. Irgendwo wird man uns bestimmt etwas
anbieten, wo wir uns auch setzen können. Es ging weiter durch die scheinbar
unendliche Meseta. Schon nach 6 km erreichten wir den Wasserreichen »Canal de
Castilla«. Wir benutzten den Treidelpfad bis zum Wehr am Ortseingang von
Frómista. Diese drei Kilometer waren etwas Besonderes für unsere Seele. Viele
hundert Teichrohrsänger schmetterten laut ihr Lied. Es war ein wunderschönes
Naturerlebnis. Der Kanal 1753 — 1859 erbaut, ist ca. 10 Meter breit und war
eigentlich für den Getreidetransport in den Norden gebaut worden. Auf 207
Kilometer überwindet er 150 Höhenmeter und hat auf dieser Streck 49 Wehre.
Heute dient er nur noch der Bewässerung der Mesetafelder. In regelmäßigen
Abständen sind Schieber eingebaut. Wenn sie geöffnet werden, fließt das Wasser
in kilometerlangen Rinnen, die auf Stelzen stehen. Von dort aus geht es dann
weiter in Leitungen zu den weiten Feldern, wo es versprüht wird. So weit das
Auge reicht stehen unzählige Sprührohre hier in den Feldern. Ob irgendwann das
Grundwasser aufgebraucht ist? Wird es dann hier nur noch Ödland geben? Wir
erreichen Frómista, einen Ort mit 850 Einwohnern. Dieser wurde früher von den
Römern besiedelt. Die Bauten des Ortes sind ein Zeugnis seines Ansehens im
Mittelalter. In einer Bar erlaube ich mir im Stehen ein Baguette mit
Serranoschinken und ein Glas Cola. Zwei Kitkat rundeten das ganze ab. Unsere
erste Sitzpause machten wir in Población de Campos. Dafür dass die Sonne so
schön schien, erlaubte ich mir zwei Glas Bier. Was sehen da meine Augen auf der
Theke? Ein Regal mit Mars, Twix und Snickers. Da musste ich doch sogleich die
Wirtschaft ankurbeln. Nun müssen wir uns entscheiden. Zwei Wegstrecken führen
weiter nach Villalcázar de Sirga. Wir nehmen die schönere Strecke am Bach
vorbei. Die endlosen Weiten der Meseta nehmen uns gefangen. Immer wieder hören
wir aus der Ferne die Rufe des Kuckucks. Der Weg durch die nicht enden wollende
Meseta ist schon ein großes Erlebnis. Wenn im Pilgerführer eine Entfernung bis
zum nächsten Ort mit zehn Kilometer angegeben ist, benötigen wir mit Pausen
zweieinhalb bis dreieinhalb Stunden. Bei einem Blick auf die Uhr ist man
überrascht, wie langsam die Zeit vergeht. Endlos lang ist dann der Weg.
Manchmal geht es steil runter in ein Tal und noch steiler gegenüber wieder den
Berg hoch. Ein Wegweiser zeigt an 8 km bis zum nächsten Ort. Die Zeit vergeht
nicht. Für mich sind diese Tage etwas besonderes, man kann seine Seele baumeln
lassen. Haben mich Gestern noch irgendwelche Probleme belastet, so denke ich
heute ganz anders darüber. Es wäre bestimmt gut, wenn jeder Stadtmensch diese
Hochebene einmal durchschreiten würde. Das Miteinander würde dadurch bestimmt
erheblich besser sein. Aber wie schnell ändert sich der Mensch, vielleicht wäre
vier Wochen später alles wieder beim alten. Leider bekamen wir noch keine
riesigen Mohnfelder zu Gesicht, wie man sie so schön im Internet sehen konnte.
Ich denke, dass hier die Felder immer noch mit Unmengen Pestizide abgespritzt
werden. In vielen Jahren, wenn diese mit dem Niederschlagswasser in den unteren
Wasserstock gelangen, wird es Unsummen kosten das Trinkwasser aufzubereiten.
Trotzdem erfreut uns der Weg auf jedem Meter aufs Neue. Die Wege haben links
und rechts eine Wasserablaufrinne, welche fast immer voll Wasser stehen. Ein
idealer Boden für viele Blumenarten. Klatschmohn in Fülle, sehr viele
Kornblumen, welche bei uns kaum noch anzutreffen sind. Herrliche getrocknete
Blüten vom letzten Herbst. Je nachdem wie der Weg beschaffen ist, hat man
seinen Blick viel zu oft auf dem Boden. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass
ich meinen Schritt so setze, dass ich nicht eine von den vielen Raupen
zertrete, die meinen Weg kreuzen. Die Pilger, die später den gleichen Weg
gehen, sollen sich an den Schmetterlingen erfreuen können. Kann das sein, waren
wir nach unserer Pause tatsächlich erst zwei Kilometer gegangen? Es wurde Zeit
für unser Mittagessen und wir suchten uns eine passende Stelle, 30 Minuten
Pause hatten wir dafür eingeplant. Gut

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