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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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Schnellstraße die Bushaltestelle nach
León wäre. Der Bus würde im 30 Minuten Takt dorthin abfahren. Ich hatte schon
gestern in meinem Unterkunftsverzeichnis die Bewertungen der Albergues von León
angesehen, sie waren nicht berauschend. Wir haben uns kurz beraten, mit dem
Hospitalero gesprochen und drei Übernachtungen bei ihm gebucht, er hat sich
sehr darüber gefreut. Etwas Besseres wie hier konnten wir nicht bekommen. Die
Preise für den Bus ist nicht mehr als ein Trinkgeld. Nun hatten wir alle Zeit
der Welt. Helge konnte ihren Nachmittagsschlaf machen und ich konnte mich
endlich mal in Ruhe um meinen Rucksack kümmern. Zuerst einmal alle schmutzige
Wäsche gewaschen. »Helga hast du meine Wäscheklammern?« »Nein!« Wo mögen die
bloß sein, meine verdammte Vergesslichkeit. »Wie viele Fächer hat dein
Rucksack?« »Was soll diese blöde Frage!« »Im hinteren Rückenfach hast du deinen
Schlafsack!« Au verflixt, wie konnte ich das nur vergessen, darunter ist der
Beutel mit Wäscheklammern und die Leine. Jeden Tag habe ich den Eindruck, in
meinem Rucksack sind mehr Sachen als am Vortag. Alle sind zum Schutz vor Nässe
in Zippbeutel eingepackt. Drückt man nicht vorsichtig auch die letzte Luft aus
ihnen hinaus, bekommt man nicht mehr alles hinein. Zuhause hatte ich alle
Beutel sehr sorgfältig mit Namen beschriftet: Unterhemd mit langem Arm — ohne
Arm, Hemd, Wanderstrümpfe, Schlüpfer, T-Shirt. Schon nach der ersten größeren
Wäsche stimmten alle Aufschriften nicht mehr. Zum Glück wird meine Frau niemals
von mir erfahren was ich alles kann (Wäsche waschen), wie vergesslich ich auf
dem Camino war und wie oft und wie lange ich oft in meinem Rucksack wühlte, um
etwas zu suchen. Viel zu viel habe ich mitgenommen. Über ein Kilogramm Erste-Hilfe
Sachen. Zum Glück haben wir noch nichts davon für uns benötigt, aber schon oft
andere in der Not geholfen. Morgen, so hoffe ich, werde ich in León ein Teil
nach Hause senden können. Ich bin fertig mit allem, habe mir bei der Frau des
Hauses für 2,00 Euro ein Flasche Wein gekauft und habe nun Zeit zum Schreiben.
Ich glaube, das erste was ich mir zuhause abgewöhnen muss ist die tägliche
Flasche Wein. Dies kann auf Dauer für meine Gesundheit nicht förderlich sein,
ist beim schreiben aber sehr hilfreich! Es wird mir bestimmt schwer fallen! So
hat jeder seine Wünsche und Träume. So träumt Helga davon, dass wenn sie nach
Hause kommt Sie ihren Winterschlaf beginnen wird. Da werde ich sie aber sehr
oft wecken müssen. Sie muss mir doch all das ergänzen, was ich in meiner
Vergesslichkeit vergessen habe. Ich freue mich schon auf die nächsten Monate
wenn ich all das vervollständigen kann, was wir auf unserem Weg gesehen und
erlebt hatten. Nun sitze ich hier in der schönen Außenanlage, unterhalte mich
angeregt mit anderen Peregrinos und versuche zwischendurch zu schreiben. Wir
sind nur 12,4 km gelaufen, trotzdem bin ich müde von allem Krach und Gestank
der Schnellstraße. Unsere Herberge liegt etwas zurück von der Straße, sie ist
hier nicht mehr zu hören und so werden wir hoffentlich auch eine ruhige Nacht
bekommen. Heute sind besonders viele Pilger aus Korea gekommen. Hier ein
freundlicher Gruß, dort nur ein kurzes »Hola«, weil man nicht weiß woher er
kommt und welche Sprache er spricht. Jeder ist zu jedem freundlich. Wird das
eine Umstellung zuhause geben. Da weiß ein Nachbar, welcher nur fünf Häuser
weiter wohnt noch nicht ob er grüßen soll. Es ist Zeit für unser Abendessen,
mal sehen ob meine Mitpilgerin schon munter ist, hoffentlich habe ich mir heute
Nachmittag keinen Sonnenbrand geholt. Auch das Einkremen meiner Halbglatze habe
ich fast jeden Tag vergessen. Zum Abendessen saßen fast alle Pilger zusammen an
drei Tischen. Wir bekamen eine gute Flasche Wein und frisches Graubrot in
Kanten gebacken, dazu große Töpfe Gemüsesuppe mit Schweinefleisch so viel wir
wollten. Ich habe mich nicht zurück gehalten. Als Hauptgericht einen großen
Hähnchenschenkel mit Soße und Kartoffeln und eine Salatplatte, alles für 8,00
Euro. Als Nachtisch Karamellpudding, was mein Herz erfreute. Gekocht hatten die
Frau des Hospitalero und seine Mutter. Ich habe mich nach dem Essen bei seiner
Frau bedankt und besonders die gute Suppe erwähnt. »Du bekommst morgen die
gleiche Suppe, einen ganzen Topf nur für dich allein. Die anderen bekommen eine
andere Suppe.« Sie hatte sich bestimmt über mein Kompliment sehr gefreut. Schon
um 21:00 Uhr begannen wir unsere

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