Wir beide nahmen die Muschel
einzelne Fenster glühen würden und die Sonne projiziert wunderschöne
Farbspiele ins Innere der Kirche. Der eigentliche Chorraum ist wie ein Langhaus
mitten in der Kathedrale gebaut. Der Raum des Mittelschiffs wird somit in
seinen Dimensionen geschmälert. Rundum an der Außenwand liegen viele einzelne
herrliche Kapellen. Sehr lange haben wir uns all diese Kostbarkeiten im Inneren
angesehen. Ich denke, dass ich morgen hier noch öfters verweilen werde. Als wir
wieder draußen auf unserer Bank saßen, bekam ich eine SMS von meinem Sohn.
Unsere letzte Tante war in der Nacht im Alter von 91 Jahren im Altenheim still
von uns gegangen. Sie war in ihrem ganzen Leben eine tief gläubige Frau
gewesen. Jeden Tag hatte sie um eine glückselige Sterbestunde gebetet. Wie viel
hatte sie im letzten Jahr gelitten. Zuerst einen schweren Gehirnschlag und
Herzinfarkt, danach war sie am ganzen Körper gelähmt. Sehr starke
Magenschmerzen, wofür sie sehr starke Medikamente bekam. Zum Schluss war sie
stark wund gelegen. Sie wusste um ihren Zustand und hatte niemals geklagt, wir
haben sie sehr bewundert. Ich denke die, welche unser Herrgott besonders liebt,
lässt er an seinen Schmerzen teilhaben. Eine tiefe Traurigkeit hat mich
ergriffen. Fast zehn Jahre hatten wir sie betreut. Sie hatte niemals eigene
Kinder gehabt und sah uns als ihre an. Leider kann ich sie auf ihrem letzten
Weg nicht begleiten, aber ich werde sie in meinen Gebeten einschließen. Wir
gehen langsam zurück in Richtung Busbahnhof und sehen uns dabei einige
Geschäfte an. Das Thermometer zeigt heute 30°C im Schatten. Leider fanden wir
nicht die Touristeninformation und bekamen auch keinen Stadtplan, aber wir
hatten ja einen Mund zum Fragen. Wir kamen an und hatten noch 15 Minuten Zeit.
In der Halle war ein Frisörladen, schnell hinein. Ich fragte, ob man mir in 10
Minuten eine Glatze schneiden könnte, der Frisör sagte zu. Ritsch ratsch, nach
einer Minute hatte er mir genau eine halbe Glatze geschnitten. Er fummelte an
seiner Rasiermaschine und sagte, »Maschin kaputt!« Wunderbar, wie soll ich nun
in wenigen Minuten meinen Bus bekommen wenn er die andere Hälfte von Hand
schneiden muss. Er sah mein betroffenes Gesicht und lachte. Eine Minute später
war ich glücklicher Besitzer einer Glatze. Da ich auch vorher nicht allzu viele
Haare hatte, ist das nun keine Katastrophe. Ich war rechtzeitig fertig und wir
haben noch einige Minuten an der Haltestelle gewartet. Einige Spanier sahen
mich an, als wenn ich eine Chemo bekommen hätte. Es blieb mir vor dem
Abendessen noch etwas Zeit zum Schreiben. Beim Essen kannten wir leider keinen
Pilger mehr. Viele spanische Pilger waren angekommen. Sie bleiben meistens
unter sich und suchen keinen Kontakt. Ich bekam mit einem freundlichen Wort das
Brot, die Flasche Wein und meinen großen Topf mit Gemüsesuppe und
Schweinefleisch, darauf hatte ich mich heute den ganzen Tag gefreut. Alle
anderen hatten eine andere Suppe bekommen. Als Hauptgericht gab es
Schweinebraten mit Soße und eine große Salatplatte für uns beide. Als Nachtisch
einen Apfel. Mit Obst sind wir auf unserem Weg besonders vorsichtig. Wenn wir
unterwegs etwas kaufen können, waschen wir es gründlich ab. Es könnte sonst für
uns unangenehme Folgen haben. Da wir nur wenige deutschsprachige Pilger an
unserem Tisch hatten sind wir auch nicht allzu lange sitzen geblieben. Die
Hitze hatte uns mächtig zugesetzt und wir waren müde. Bevor wir gingen fragte
die Frau des Hospitalero uns, ob wir morgen zum Abendessen Paella haben
möchten? Sehr schnell haben wir erfreut ja gesagt. »Aber nur für euch, weil ich
euch so gut leiden kann.« Das war für uns ein riesengroßes Kompliment. Helga
legte sich zur Ruhe und ich habe in der Außenanlage noch weiter an meinem Buch
geschrieben. Bettruhe war für mich um 22:00 Uhr.
Zweiter
Tag in León
Mittwoch,
den 11. Mai 2011
A usgeschlafen
mit Lust auf ein leckeres Frühstück fahren wir wieder mit dem Bus in die
Innenstadt. Heute kennen wir ungefähr den Weg, hatten wir gemeint. Der Weg zur
Post gestern war nicht der direkte Weg zur Innenstadt und so mussten wir uns
wieder durchfragen. Von der Herbergsmutter hatten wir einen Stadtplan bekommen,
jetzt war das alles schon ein bisschen einfacher. Helga hatte großen Hunger und
mir war kein Café gut genug. Es gab eine kleine Meinungsverschiedenheit und so
besuchten wir zuerst mit nüchternem Magen das archäologische Museum. Als
Rentner hatte ich freien Eintritt, Helga
Weitere Kostenlose Bücher