Wir beide nahmen die Muschel
auf dem Boden,
was sie damit macht ist uns rätselhaft. Ich glaube, wenn sie sich auf einem
normalen Stuhl setzen würde, bricht dieser bestimmt zusammen. Nachdem sie
gegessen haben werfen sie oft noch größere Fleischmengen in den Abfall. Man
lernt so manche Menschengruppierungen in den Wochen kennen. Kurz vor 22:00 Uhr
kommt meine Mitpilgerin. Die Mädchen mussten zu Bett und Punkt zehn Uhr
schließt der Herbergsvater den Haupteingang ab und löscht alle Lichter. Wir
wünschen uns eine gute Nacht und versuchen zu schlafen, was nicht immer einfach
ist. Meine Gedanken kreisen schon um den nächsten Tag. Wie ist der Weg beschaffen,
wie viel Kilometer sollen wir gehen, wie viel Wasser müssen wir mitnehmen, gibt
es unterwegs eine Möglichkeit einzukehren? Immer wieder hatte Helga mir gesagt,
lass doch einfach den Tag auf dich zukommen, du machst dir viel zu viele
Gedanken. Aber das ist nicht meine Art, ich liebe keine bösen Überraschungen.
Kurz nach 22:00 Uhr hörten wir an unserem Fenster jemand klopfen, es waren die
beiden kräftigen Frauen. Sie waren zu spät gekommen und kamen nicht mehr rein.
»Heinz ich mach das schon, die schlepp ich rein und wenn ich die durch unser
Fenster ziehen muss.« Leider ging das nicht, weil alle im Erdgeschoß vergittert
waren. Sie ging zum Eingang, es war eine zweiflügelige Tür. Sie hat einfach den
mittleren Riegel geöffnet und die beiden rein gelassen und sie nachher wieder
verschlossen. Da die Nächte hier bitterkalt werden, hätte es für sie sehr böse
ausgehen können. Helga kam zurück und war bitter sauer. »Hätte ich die doch
draußen stehen gelassen. Sie haben so getan als ob sie mich nicht kennen würden
und dabei habe ich mich doch schon oft mit ihnen unterhalten. Auch hatten sie
es noch nicht einmal nötig Danke zu sagen.« Wir konnten einfach nicht
einschlafen. Die letzten beiden Tage hatten uns sehr mitgenommen. Der Weg war
mörderisch gewesen. Ich denke an Helen und Terry aus Australien. Wie mag es
denen im Moment gehen? Erst nach 18:00 Uhr waren sie hier angekommen. Sie
wollten Essen gehen und dann nur noch schlafen. Ich hatte ihnen noch schnell
für morgen eine gute Albergue empfohlen. Leider wurde es im Haus nicht ruhig.
In der sehr großen Küche saßen noch viele spanische Pilger und unterhielten
sich sehr laut. »Komm Helga, mache deine Augen zu und schlafe, morgen haben wir
wieder einen harten Tag.« Leider hatten wir unsere Planung ohne den alten Mann unter
mir gemacht. Er entpuppte sich als ein besonders großes Rhinozeros. Es war zu
spät den Zoo in Madrid anzurufen, wir mussten damit leben. Auch war er bestimmt
für eine Umsiedlung zu alt. Ich habe oben einmal feste gegen das Bett getreten
und in die Hände geklatscht, aber er hat nicht reagiert. Hatte ich gedacht,
nichts wäre zu toppen gewesen, dieser Pilger setzte noch das Krönchen drauf.
Die Glocken von Jericho waren ein Trauergeläut zu diesem Exemplar. Irgendwann
ist Helga eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin. Sie hat bestimmt
einen eingebauten Schalldämpfer. Die ersten Geräusche sind im Haus zu hören.
Viele müssen am Morgen zur Toilette, andere frühstücken schon um 5:00 Uhr in
der Früh. Das Schlafen war diese Nacht leider ausgefallen. Zur gleichen Zeit
wurde unser Opa unter mir wach. Gestern Mittag noch zusammen gebrochen, weil er
ohne Frühstück und etwas zu trinken losgegangen war, er war wieder aktiv. Im
Dunkeln packte er seinen Rucksack und war kurze Zeit später wieder ohne
Frühstück auf dem Pilgerweg. Wir haben ihn nie mehr gesehen.
Ponferrada — Cacabelos
15,7 km, 70
m Aufstieg, 90 m Abstieg
Freitag, den
20. Mai 2011
H elga wurde
um 6:00 Uhr von lautem Gerede der Pilger wach und wir sind aufgestanden. Ich
schaute sie an und wir brachen beide in großes Gelächter aus. Als gestern Abend
die beiden Frauen vor der verschlossen Tür gestanden hatten, sah sie an der
Rezeption den Stempel der Albergue liegen. Nachdem die beiden in ihrem
Schlafsaal verschwunden waren drückte sie sich den Stempel auf ihre Stirn. Sie
sah damit urkomisch aus. Sie war in ihrem Humor einfach nicht zu übertreffen.
»Und wie geht es weiter?«, war meine Frage? »Willst du dich wie eine Drucksache
unter den Augen des Hospitaleros aus der Albergue schleichen?« Der Stempel musste
ab. Zuerst haben wir es mit Spucke versucht, leider ohne Erfolg. In der
Toilette Papier genommen und angefeuchtet, auch damit ging es nicht. Auch mit
Seife wurde er nicht blasser. Erst als wir mit
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