Wir - die Unsterblichen
seine Handschrift so gut wie ich – lesen Sie selbst vor. Wir sind alle sehr gespannt, das dürfen Sie glauben.«
Ich bemerkte, daß die Hände von Cabrius ein wenig zitterten, als er das dünne Bündel Williams abnahm. Er legte es vor sich auf den Tisch, blätterte unschlüssig darin herum, nahm es wieder auf – und begann endlich zu lesen:
(Ohne Datum)
»Meine Freunde!
Chronologisch und in Relation zum normalen Zeitstrom, gebracht, war ich in der Tat der erste Mensch, dem es gelang, ein entsprechendes Experiment durchzuführen und ein Zeitparadoxon unbedeutender Art herbeizuführen. Schon damals ahnte ich, daß der Mensch für dieses Problem noch nicht reif war, aber ich wußte, daß er es eines Tages sein mußte und rückwirkend die Ereignisse kontrollieren und notfalls berichtigen würde. Darauf baute sich mein Plan auf, Ihnen den Beweis für meine Behauptungen zu erbringen. Er liegt vor Ihnen.
Vier Tage lang bereitete ich in meinem Labor mein Experiment vor. Als Ackerbuild mich am fünften Tag anrief, war es bereits gelungen. Die Zeit-Kontrolle hatte mich in die Zukunft geholt, um das grauenhafteste Paradoxon zu verhindern, das ich offensichtlich plante, und das die Auslöschung des Menschen zur Folge gehabt hätte. Heute – in meiner Relativgegenwart, gibt es alle Möglichkeiten, jegliches Experiment mit der Zeit zu kontrollieren und zu verhindern. Ich wußte es, denn es war die logische Entwicklung.
Man holte mich in die Zukunft – in Ihre Zukunft –, und ich habe die Tatsache, daß ich angesehen und geehrt in dieser Zukunft leben darf, nur dem Umstand zu verdanken, daß ich der Pionier war. Nur deshalb auch erhielt ich die Erlaubnis, Ihnen diesen Brief in meine ferne Vergangenheit zu schicken – er wird übrigens nach genau fünf Minuten wieder in meine Zeit zurückgeholt.
Seit jenem Mittwoch in Ackerbuilds Wohnung vergingen für mich sieben Jahre, für Sie verging eine Woche, und im Zeitstrom bin ich etwa achthundert Jahre von Ihnen entfernt. Sie ersehen daraus, daß bereits drei verschiedene Zeitebenen bei dieser geringfügigen Manipulation gleichzeitig nebeneinander bestehen. Es gibt natürlich viel mehr, wobei die eine in die andere übergeht – und damit entsteht der Eindruck, daß der Hauptstrom fließt.
Sie werden mich nicht mehr wiedersehen, obwohl ich oft Gelegenheit durch die Zeitkontrolle erhalte, Ihren Gesprächen beizuwohnen. Man gestattet mir dieses Privileg, weil ich mit meinem Stahlblockexperiment eine Entwicklung einleitete, ohne die unsere Welt, wie wir sie zu allen Zeiten kennen, nicht existent wäre. Jede Gegenwart ist das Ergebnis einer exakt vorausberechneten Manipulation. Niemand – und das ist die letzte Erkenntnis aus diesen Dingen – kann seinem Schicksal entgehen, falls er unter der Kontrolle der streng überwachten Zeitmanipulatoren steht, denn – und das wiederum fördert die Eigeninitiative und gewährt Freiheit – nicht jeder wird erfaßt und kontrolliert.
Es liegt noch immer in der Hand des Individuums, aus seiner Welt das zu machen, was er aus ihr zu machen gedenkt. Doch wie auch immer, am Schluß seiner Entwicklung wird der Mensch in Frieden leben, aber der Weg bis dahin ist weit, sehr weit.
Lebt wohl, meine Freunde – und hofft weiter. Übrigens, Kollege Cabrius, wenn Sie morgen vor der Universität parken, achten Sie auf den gelben Wagen, neben den Sie sich stellen. Er wird Ihnen beim Wegfahren die rechte Tür zerkratzen und Fahrerflucht begehen. Ein Glück, daß Sie sich die Nummer gemerkt haben …«
Cabrius hielt die beschriebenen Blätter noch in der Hand, und in der nächsten Sekunde war nichts mehr in seinen Händen. Das Papier hatte sich in Nichts aufgelöst; es war in die Zukunft zurückgeholt worden, aus der es gekommen war.
An diesem Abend gingen wir ohne weitere Diskussion auseinander, jeder mit seinen eigenen Gedanken und Zweifeln beschäftigt. Cabrius wollte am nächsten Tag den vorausgesagten Kleinunfall vermeiden, indem er seinen Wagen an einer anderen Stelle parkte, fünf Lücken von dem gelben Auto entfernt, dessen Nummer er sich trotzdem merkte. Als er später zurückkehrte, war seine rechte Tür eingebeult, und die gelben Lackkratzer verrieten, wer der Übeltäter gewesen war.
Professor Koltow blieb verschwunden und tauchte nie mehr auf. Man nahm an, daß er in seine alte Heimat zurückgekehrt war.
Ich selbst besuchte mit Jack Williams einige Tage später das Museum. Wortlos führte uns Dr. Winter zu einem neu
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