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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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«wriggen».
    Sie kamen an der Dampskibsbro vorbei und nahmen Kurs auf Ristinge. Knud Erik war wieder warm geworden, und in rascher Fahrt glitten sie durch das spiegelblanke Wasser. Sie waren als einziges Boot so früh draußen. Eine Stunde später erreichten sie Sorekrogen. Die Reusen waren voller Krabben.
    «Da sind auch ein paar für deine Mutter dabei», sagte Albert.
    Sie machten es sich mit den Pfannkuchen auf der Ruderbank gemütlich. Die Sonne hatte sich über den Horizont erhoben und mit ihrem Licht einen tief hängenden Wolkenstreifen angezündet. Sonst war der Himmel klar.
    «Das wird heute Strandwetter», stellte Albert fest.

    «Erzähl vom Schrumpfkopf», bat Knud Erik.
    Einige Stunden später näherten sie sich wieder der Hafeneinfahrt. Die Sonne stand jetzt höher am Himmel, und er konnte bereits ihre Wärme spüren, obwohl es noch früh am Morgen war. Sie passierten die Dampskibsbro und hielten auf die Prinsebro zu.
    Knud Erik ging zum Vordersteven und bereitete sich mit sicheren Bewegungen darauf vor, das Boot zu vertäuen. Albert füllte einen Eimer mit Krabben. Dann begleitete er Knud Erik nach Hause in die Snaregade. Der Junge stürmte mit dem Eimer in der Hand durch die Tür. Drinnen war seine Stimme zu hören.
    In der Haustür tauchte die Mutter auf.
    «Danke für die Krabben, Kapitän Madsen. Aber wieso stehen Sie denn dort draußen, kommen Sie doch herein.»
    Sie ging zur Seite und ließ ihn durch die enge Türöffnung eintreten. Er versuchte, sich dünn zu machen, streifte sie aber dennoch mit dem Arm. Er kannte die Wohnung und fand selbst zum Sofa. Dort stand bereits eine Tasse für ihn. Sie ging in die Küche und kehrte mit der Kaffeekanne zurück.
    «Die Krabbenfischerei lässt sich gut an», erklärte Albert. «Knud Erik wird ein gemachter Mann.»
    «Wir können das Geld nicht annehmen.»
    Ihre Miene verhärtete sich.
    «Das ist durchaus kein Geschenk, Frau Friis. Er arbeitet hart, und selbstverständlich soll er dafür seinen Anteil bekommen.»
    Knud Erik begann begeistert, auf dem Fußboden auf und ab zu hüpfen.
    «Hol deine Badehose und ein Handtuch. Und dann ab zum Strand.»
    «Darf ich, darf ich?»
    Er hatte nun seinen Rhythmus gefunden und hüpfte weiterhin auf und ab.
    «Ja, natürlich darfst du. Ab mit dir.»
    Er lief in die Küche und kam einen Augenblick später mit einem zusammengerollten Handtuch unter dem Arm zurück. Gerade wollte er mit zum Abschied erhobener Hand in den Flur hinausrennen, als er unvermittelt stehen blieb. Dann ging er auf Albert zu und streckte eine Hand aus. Mit einem steifen Diener bedankte er sich für die Fahrt. Albert
legte eine Hand auf seinen Kopf und fuhr ihm leicht durch die Haare.
    «Ich habe zu danken.»
    «Er ist ein wunderbarer Junge», sagte er, als Knud Erik verschwunden war. «Sie müssen gut auf ihn achtgeben.»
    «Das tun Sie doch bereits für mich.»
    Wieder lächelte sie. Er schaute auf. Ihre Blicke trafen sich, und er wusste nicht, ob es Zufall war. Er spürte, dass er woanders hinsehen sollte, konnte es aber nicht. Er merkte, wie ein unkontrolliertes Lächeln sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Klara Friis’ Wangen röteten sich. Auch sie schien nicht imstande zu sein, sich von dem Augenblick loszureißen, der länger und länger wurde, bis es ihnen vorkam, als wüchse er von Sekunden zu Minuten und dann zu sonderbar schwerelosen Stunden. Endlich senkte sie den Blick. Er empfand eine plötzliche Scham, als hätte er sich an ihr vergriffen, und musste an sich halten, um sich nicht zu entschuldigen, obwohl doch nichts geschehen war.
    Er räusperte sich.
    «Danke für den Kaffee.»
    Sie sah ihn verwirrt an, als hätte er sie aus einem Traum geweckt. Ihre Wangen waren noch immer gerötet.
    «Müssen Sie gehen?»
    «Ja, das sollte ich wohl besser», sagte er und hoffte, dass die Worte neutral klangen, damit der Abschied nicht wie ein Urteil über die merkwürdige Situation aussah, in der sie sich gerade befunden hatten.
    «Ach», sagte sie, als käme der Aufbruch für sie überraschend.
    Er blieb sitzen und wartete, dass sie weitersprach. Sie starrte auf ihre Hände.
    «Nun ja, ich hoffe, Sie finden mich nicht aufdringlich. Aber hätten Sie nicht Lust, heute Abend zu uns zum Essen zu kommen? Wir haben doch jetzt die Krabben.»
    Sie sah ihn an.
    «Ich komme wirklich sehr gern. Ich werde eine Flasche Wein mitbringen.»
    «Wein?»
    Sie wirkte noch verlegener.
    «Oh, vielleicht trinken Sie gar keinen Wein?»

    Sie strich sich über die

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