Wir Ertrunkenen
Sie mich wirklich?»
«Ja, ja», erwiderte er mit einer gewissen Irritation in der Stimme. «Aber lassen Sie mich jetzt meine Kleider in Ordnung bringen.»
Er kannte sich selbst nicht wieder. Er empfand keinerlei Triumph bei dieser Eroberung. Stattdessen wuchs in ihm das Gefühl einer Katastrophe.
Sie stand auf und ging zu einem Kommodenspiegel, um ihr Haar zu richten. Als sie fertig war, drehte sie sich zu ihm um.
«Was soll ich Knud Erik sagen?»
Er zuckte mit den Achseln und wandte den Kopf ab.
«Er weiß, dass ich hier war. Er würde sehr enttäuscht sein, wenn Sie sich nicht mehr um ihn kümmerten.»
«Ich komme und hole ihn morgen. Dann fahren wir raus zum Krabbenfischen.»
Im Flur lief zwischen ihnen wieder alles ganz formell ab, sie gaben sich zum Abschied die Hand. Der kleine dunkle Raum war wie eine Schleuse zur Stadt und ihren stets forschenden Blicken. Er blieb in der Tür stehen, als sie auf die Straße trat. Gegenüber stieg die Frau des Manufakturhändlers Jensen die Granittreppe der Bank hinab. Er nickte ihr zu. Unter der Krempe ihres schwarz lackierten Strohhuts warf sie einen prüfenden Blick auf Klara, bevor sie mit einem verhaltenen Nicken zurückgrüßte. Seine Entblößung hatte begonnen.
Als er am nächsten Tag kam, um Knud Erik abzuholen, war der Junge nicht da. Sie habe ihn in die Stadt geschickt, um Milch zu holen, aber er sei gleich wieder zurück, erklärte die Mutter. Die kleine Edith hielt ihren Mittagsschlaf. Erschrocken bemerkte er, dass eine von Klaras Wangen geschwollen und gelb und blau war.
«Sehen Sie mich nicht so an», sagte sie.
Sie nahm seine Hand und legte sie mit einer zärtlichen Geste an ihre Wange.
«Das macht nichts.»
Sie lehnte am Küchentisch und streckte die Hände aus, um ihn an sich zu ziehen. Er wandte das Gesicht ab, doch sein Körper folgte ihrer Einladung. Er spürte sie wieder, seine unerhörte Altmännererektion. Er hasste sich, aber er zerrte an ihrem Kleid, um es an der Hüfte zu lösen. Wieder drang er in sie ein, doch diesmal erschlaffte er schnell und glitt heraus. Er hatte den Jungen vergessen, doch plötzlich erinnerte er sich an ihn, und das Unverantwortliche ihrer überstürzten Paarung wurde ihm bewusst.
Sie hielt ihn noch immer fest an sich gedrückt. Diesmal hatte er sie nicht geschlagen, nun riss er sich jedoch mit einer heftigen Bewegung los. Er wusste nicht, was sie sich voneinander erhofften, und sagte es ihr.
«Da kommt nichts Gutes bei heraus.»
Sie antwortete nicht, sondern legte nur den Kopf an seine Brust. Sie war von einer tauben und stummen Ergebenheit, die in ihm keinen Widerhall fand, sondern nur seinen Zorn steigerte.
«Hörst du?», sagte er und schüttelte sie.
Ihr Kopf wackelte hin und her, als wäre sie kaum bei Bewusstsein. Dann hörten sie den Jungen an der Tür und trennten sich rasch. Knud Erik trug die Milchkanne in die Küche und stellte sie auf den Tisch.
Albert kam es vor, als wäre der Junge besonders wachsam, doch rasch wurde ihm klar, dass er selbst diese Wachsamkeit ausstrahlte. Sie gingen hinunter zum Hafen und waren bereits die ganze Einfahrt hinausgerudert, als er wieder zu einem natürlichen Ton zurückfand. Er hatte geglaubt, seine lange Abwesenheit erklären zu müssen, aber der Junge fragte nicht. Vor Eifer und Anstrengung rot im Gesicht, saß er auf der Ruderbank und demonstrierte seine neu erworbenen Fähigkeiten als Ruderer.
Albert vermutete, dass die Mutter das Bedürfnis des Jungen nur als Vorwand benutzt hatte, um ihn aufzusuchen. Könnte er doch nur diese beiden Dinge trennen, seine Liebe zu dem Jungen und seine Faszination für die Mutter. Aber sie wollte ihn ja nicht in Ruhe lassen. Wer hatte damit angefangen? War sie es oder er? Sollte er nicht ehrlich genug
sein und sich eingestehen, dass nicht sie es war, sondern etwas in seinem Inneren, das ihm keine Ruhe ließ? War es plötzlich entflammte Begierde? Oder eher die Erinnerung an die Begierde? War es all das Unterlassene in seinem Leben, das sich in der Gestalt von Klara Friis ein letztes Mal anbot?
Was immer es war, es durfte seine Verbindung zu dem Jungen nicht aufs Spiel setzen. Es musste aufhören. Nur wie?
Klara und Albert sprachen nicht viel miteinander, meist über alltägliche Dinge, als würden sie sich schon lange kennen und alles Wichtige wäre längst gesagt. Sie hatten sich wohl auch nichts zu sagen, dachte er. Wenn sie alle vier zusammen waren, hatte es anfangs eine gewisse Geborgenheit in ihrem stummen
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