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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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woher sich die beiden kannten, einen Blackout hatte, war es Anna gewesen, die schnell »Aus dem Café, oder nicht?« einwarf und dafür nicht nur von Marie, sondern auch von Christoph sehr erleichtert angelächelt wurde.
    *
    In unseren Netzwerken geht es nie um Intimes. Es wird dort nicht darüber gesprochen und es wird nichts darüber gepostet. Im Gegenteil. Denn dort soll niemand von einem denken, man hätte irgendwelche ernstzunehmenden Schwachstellen.
    In unserem Netzwerk wollen wir nicht gesehen werden, wie wir sind. Sondern nur so, wie wir sein wollen. Und deshalb zeigen wir uns lieber nur in gut ausgewählten kleinen Häppchen. Im lässigsten Understatement, im ironischsten Witz, im schönsten Foto, in der künstlerischsten Collage. Im aktuellsten, informiertesten, undergroundigsten, kultigsten oder trashigsten Link.
    Oder, noch besser, mit irgendetwas, das so richtig schön peinlich ist. Denn damit, so wissen wir, sind wir immer auf der sicheren Seite.
    *
    »Kommt rein, kommt rein, ist grad noch Werbung«, ruft Meike vom Ende des Flurs zur offenstehenden Wohnungstür. »Schön, dass ihr da seid!«, sie wirbelt durch ihre kleine Wohnung und winkt Anna, Marie und Katrin, die zur gleichen Zeit angekommen ist, hinein. »Lukas? Nimmst du den Damen mal die Mäntel ab?« In der Wohnzimmertür erscheint Meikes Bruder. Anna und Marie kennen Lukas von Meikes Geburtstagsfeiern. Lukas hängt eigentlich immer bei seiner Schwester ab. Weil er nur eine Straße weiter wohnt. Und weil er irgendwie immer Zeit hat. Lukas ist groß und breit wie ein Schrank, man sieht ihn eigentlich immer nur in ausgewaschenen Jeans und etwas zu weiten, zeltartigen T-Shirts wie dem heute, auf dem in großen Lettern »Verdammt! Schon wieder ein T-Shirt mit Bauch« steht. Außer dass er um die dreißig ist, in einer Videothek jobbt und irgendwann mal irgendwas mit Geschichte und Wirtschaft studiert und abgebrochen hat, ist Anna und Marie nichts über ihn bekannt.
    »Mädels, was geht«, sagt Lukas charmant und hängt die Mäntel auf. Er drückt Anna fest. »Na, Dancing Queen«, zwinkert er und lacht sein ansteckendes, bäriges Lachen.
    Anna wird rot. Das letzte Mal, auf Meikes Geburtstag, als am Schluss nur noch Anna, Marie, Meike und Lukas da gewesen waren, hatte Anna mit Lukas im Duett bei SingStar mit sämtlichen Abba-Songs abgeräumt. Meike und Lukas hatten Anna auf den Tod schwören müssen, die Fotos davon nie im Leben irgendwo publik zu machen.
    »Geht los!«, schreit Meike aus dem Wohnzimmer.
    Mit Katrin im Schlepptau folgen Anna und Marie Lukas ins Wohnzimmer. »Und das ist so eine Art Kuppel-Show?«, fragt Katrin leise. »Du kennst
Schwiegertochter gesucht
nicht?«, kreischt Lukas. Er öffnet eine XXL -Packung Chips und die Gummibärchentüte. »It’s just a matter of … time«, singt Meike den Trailer zur Sendung mit. »Das ist die grausamste Sendung überhaupt«, erklärt Lukas Katrin. »Dagegen ist
Bauer sucht Frau
gar nix. Da sind ja wenigstens noch ein paar Normale dabei. Hier suchen so fünfzigjährige, sozial verkrüppelte Vollpfosten, die noch bei ihren Eltern wohnen und noch nie ’ne Freundin hatten, ihre große Liebe.«
    »Ah, okay«, sagt Katrin. Lukas zeigt auf den Fernseher. »Da ist schon einer.«
    Auf dem Bildschirm erscheint eine merkwürdig geschlechtslos wirkende, gedrungene Frau in einem billigen Fleecepullover mit Huskymotiv darauf. Kitschige Musik bricht los. Meike lacht: »Oh Gott, oh Gott, wie sieht
die
denn aus?« Verklemmt und lispelnd liest die Frau ein plattes, schlecht gereimtes Liebesgedicht vor. »Heute gesteht die Autobahnraststättenfachkraft Beate dem schüchternen Kratzbildfan Peer, ihrem Traummann, endlich ihre tiefen Gefühle«, säuselt die Moderatorin. Der Kratzbildfan schielt gerührt in die Kamera. »Alter, wie
behindert
seid ihr eigentlich?«, brüllt Lukas den Fernseher an. »Die sind doch jetzt
echt
behindert, oder? Der Typ kann ja keinen ganzen Satz geradeaus sprechen!« Lukas beugt sich zu Katrin. »So geht das die ganze Zeit«, er schüttelt den Kopf, »echt der Hammer, diese Leute, echt ganz großes Kino.«
    Auf dem Bildschirm weint nun eine Kandidatin, weil sie nach Hause geschickt wurde und in der nächsten Kennlernrunde nicht mehr dabei sein darf. »Ohhhh«, sagt Lukas, »eine Runde Mitleid für dich.« Er greift tief in die Chipstüte. Ein paar Chips bleiben auf seinem T-Shirt liegen. Im Takt seines Lachens wackeln sie auf und ab.
    *
    Bastian wünscht Herrn G. zum Abschied eine gute

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