Wir haben Sie irgendwie größer erwartet
denkbare Ausweg aus diesen Schwierigkeiten darin bestand, eine Ersatzbelohnung zu finden, die den Riesen noch besser gefiel.
Allerdings war es nicht gerade einfach, einen Ersatz für das Besitzrecht an dem mit Abstand allerschönsten Geschöpf im Universum – der Göttin der Schönheit selbst – aufzustöbern.
Loge durchforstete vergeblich den gesamten Planeten nach irgendeinem Lebewesen oder Gegenstand, dem vielleicht noch etwas Schöneres einfiel, indem er mit den Menschen anfing, seine Suche bei den niederen Tieren fortsetzte und es in seiner Verzweiflung schließlich sogar mit Bäumen und Felsen versuchte. Das einzige Wesen, das sich noch etwas Prachtvolleres als Freia vorstellen konnte, war der Nibelung Alberich. Als Loge ihn um nähere Auskunft bat, beging letzterer die große Dummheit, seinem Gesprächspartner von dem Ring zu erzählen, wodurch der schlauste aller Götter überhaupt erst auf die Idee kam, den Ring zu stehlen.
Malcolm hatte diese Geschichte von Floßhilde gehört, die den betrunkenen Loge übrigens trefflich imitieren konnte, und mußte immer noch daran denken, als er zu seiner Weltreise aufbrach. Er war fest davon überzeugt, daß sich die Welt seit dem finsteren Mittelalter stark verändert hatte. Sicher, manches war heutzutage wirklich vollkommen anders – zum Beispiel hatte sich Freia schon vor langer Zeit in einen Waldelfen verliebt, mit dem sie, wie sie erst später entdeckte, nicht die geringste Gemeinsamkeit hatte. Jahrhunderte voll stiller Verzweiflung und lautstarker Sauf- und Freßgelage zur Linderung des Kummers hatten ihren Tribut gefordert: Freia hatte ihren Titel als schönste Frau der Welt längst verloren. Überdies hatte sich seit dem Mittelalter mit der Entwicklung solcher Begriffe wie Aufklärung, Feminismus und Elektrizität auch die allgemeine Einstellung grundlegend geändert. Malcolm hoffte, rasch feststellen zu können, daß er mit seiner Überzeugung, Liebe sei die schönste Sache der Welt, in der Minderheit war. Ein rascher Überblick über die menschliche Gedankenwelt, dessen war er sich völlig sicher, sollte ihm dabei behilflich sein, seine Probleme nüchterner und sachlicher zu betrachten.
Mit buchstäblich magischer Geschwindigkeit durchquerte er die Kontinente, doch je weiter er vordrang, desto tiefer verfiel er in Depression. Zugegeben, die Auffassung von Liebe nahm teilweise recht seltsame Formen an (besonders in Kalifornien), aber im großen und ganzen stimmte die Menschheit in ihrem Glauben an den hohen Wert der Liebe in geradezu erschreckender Weise überein.
Egal, wie unterdrückt, ausgehungert, kampfbereit oder chaotisch sie waren, die Bewohner des Planeten hatten die unübersehbare Neigung, die Liebe für das Allerwichtigste zu halten, das sie sich vorstellen konnten – ja, selbst der zynischste aller Sterblichen zog sie immer noch einem Zahnarztbesuch vor. Natürlich waren nicht alle gleichermaßen bereit, das zuzugeben, aber schließlich konnte Malcolm Gedanken lesen und nahm deshalb oftmals wahr, was sein Gegenüber gern verschwiegen hätte. Außerdem schien die Menschheit ihre Lieblingsmanie bis auf einige wenige Ausnahmen zum Verzweifeln und unerklärlich schwierig zu finden, weshalb man die Liebe im allgemeinen für die größte existierende Quelle des Unglücks hielt.
Diese Ansicht scheint in der heutigen Zeit nicht unbegründet; Menschen, und das ist allgemein bekannt, fühlen sich erst so richtig glücklich, wenn sie durch und durch unglücklich sind. Nur leider gab es durch Malcolms Tätigkeit als Ringträger nicht mehr viel, was einem das Leben erschweren konnte. Wo immer er auch hinging, überall begegneten Malcolm ›von oben befohlener‹ Wohlstand, Reichtum und Überfluß. Pünktlich zur rechten Zeit fiel an genau den richtigen Stellen die ideale Niederschlagsmenge. Armeen von Mähmaschinen, den weniger entwickelten Nationen kostenlos von den wohlhabenden und entsprechend schuldbewußten industrialisierten Brüderländern geliefert, rollten vereint durch Weizen- und Reisfelder, um die reiche Fülle dessen abzuschöpfen, was der Mutterboden hervorgebracht hatte. Sogar die führenden Waffenhersteller hatten ihre Klagen gegen die Vereinten Nationen zurückgezogen (sie hatten diese ehrenwerte Institution wegen der Handelsbeschränkungen bei amerikanischen Gerichten verklagt, indem sie behaupteten, der Weltfrieden sei eine Verschwörung, die lediglich dazu diene, sie allesamt aus dem Geschäft zu drängen) und ihre gesamte
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