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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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plötzlich stellt doch dies Biest von einer Fifi alle Haare steif und fängt an zu knurren, und wir hören es, als wenn es hier im Zimmer wäre, das Tuck-Tuck-Tuck von einem Motor. Und das Herz bleibt mir stehen. Und die Fifi reißt doch die Schnauze auf und will losblaffen. Und ich mit einem Satz auf sie nieder und das Biest am Hals, denn beim ersten Blaffer hätten wir doch denen ihren ganzen Maschinengewehrsalat an Deck gehabt. Und die Töle sieht mich doch so an … Und ich denke: du hast genug, du weißt Bescheid und gebe ihr den Rachen wieder frei. Aber nein, es ist doch, daß sie die Zöllner richtig aus erster Hand riechen muß, sofort wieder aufgerissen die Schnauze, und am ganzen Leibe gezittert und will schon los … Er öffnet die ungeheure Pranke, sieht sie nachdenklich an und sagt dann leise: Na, ich habe zugedrückt, sie hat nicht diesen Blaffer getan und keinen mehr in ihrem |232| Leben. Aber der Blick, mit dem sie mich angesehen hat! Sie hatte bernsteingelbe Augen, wie Bernstein …
    Er kommt sachte in Wärme, der Bullenberger. Er verteidigt sich gegen einen Ankläger, den niemand hört: Und ich soll dem Gendarmen Wilhelm in seine dußligen blauen Augen reinnicken, daß der verdammte Kinderschinder sich noch im Grabe darüber freut, er hat mich angeschissen – wo ich kein Erbarmen gehabt habe über die Augen von meinem Hund?! Was sagt ihr –?
    Aber er will gar nicht hören, was die sagen: Der Fifi ihr ganzes Verbrechen ist gewesen, daß sie die Zöllner noch mehr gehaßt hat als ich. Und dem sein Verbrechen –? Seine Verbrechen, muß man schon sagen. – Jawohl, die Fifi ist gestorben für ihren Haß. Und der Martin ist gestorben auch für seinen Haß. Und ich …
    Aber er interessiert sich im Augenblick nicht für sich, sondern: Und für was ist der Wilhelm gestorben? Dafür, daß er ein großer Mann war und recht behielt und immer die kleinen Knechte im dunklen Stallwinkel für einen Sack Hafer auf die Füße gepeddet hat mit seinen Nagelschuhen – immer feste, gib ihm. Aber dann mit einem Karabiner hinter den Fichten gestanden und von hinten in den Rücken geschossen, feiges Aas –! Und wie er sieht, das Land schluckt es nicht und er ist unten durch – los mit dem Revolver und ein Duell gemacht – Gottesgericht oder so was, und dann noch mit der Hand gewackelt –!
    Der Bullenberger erhitzt sich immer mehr. Es ist schon ganz hell gewesen im Zimmer, und von Schatten etwa in den Stubenwinkeln, die man für Ankläger hätte nehmen können, konnte keine Rede mehr sein.
    Und ich soll bereuen? Ich habe die Fifi nicht bereut, denn zuerst muß
ich
leben, sonst hat alles für mich keinen Zweck, und den schwarzen Martin habe ich auch nicht bereut. Und den Kerl, den Wilhelm, den bereue ich erst recht nicht. Und wenn der Sensenmann direkt an meinem Ohre mit der Sense klappert – sich aufgeplustert hat er – und gereicht hat es |233| doch nicht hin und nicht her! Er sieht wild seine Hände an, aber dann sagt er ganz ruhig: Sie hat ein schönes Fell gehabt und immer munter und spielig, hat uns über manche faule Stunde geholfen, wenn wir vor dem Winde lagen. Na, nun will ich schlafen, Kinder. Aber, wie ihr es mit euerm Schlaf macht, das weiß ich nun wahrhaftig nicht. Verantworten kann man es nicht. Aber was kann man eigentlich verantworten?! Ich hab immer zu tun gehabt, auf See und auf Land, und über fünf Stunden habe ich selten geschlafen. Und nun liege ich hier Tage und Tage im Bett, und ich denke, ich kriege es klarer. Es wird aber nur immer verwirrter. Also nochmals gute Nacht. Oder guten Morgen. Ihr könnt es euch aussuchen. Aber daß man es sich im Leben aussuchen kann, das ist auch so eine Einbildung …
    Und so weiter, und so weiter. Sie hatten zu tun, daß sie von seiner Schnackerei loskamen. Und sie hatten doch noch so viel zu tun! Es war schon gar nicht so einfach, solch einen heimlichen Gast heimlich zu beköstigen. Da war die schöne gekachelte Küche des Schlosses, groß wie ein Reitstall – aber war es zu glauben, sie gab rein nichts her! Ein öder, kalter, leerer Raum, in dem eine Maus den Hungertod sterben mußte, ganz zu schweigen von zwei jungen Abenteurern, die einem Verwundeten die Krankensuppe kochen wollten. Gewiß, auf dem anstoßenden Gang im Wirtschaftsflügel gab es unter andern vier Türen: die Mehltür, die Obsttür, die Fleisch- und Wursttür und die Milch- und Käsetür, wie Mamsell Hannemann sagte. Und im Keller drunten war die Wecktür, hinter der das Eingemachte

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