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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Gerste, es war kein schlechtes Geschäft. Ja, der Hof war vorwärtsgekommen, er ernährte jetzt um die Hälfte mehr Vieh als früher. Seit sie das Kleeheu reuterten, hatten sie stets Futter genug.
    Aber – und der Bruder wurde im Dämmerlicht des Stalls vertraulicher – der Alte wurde immer eigenwilliger und wunderlicher. Oft ging er tagelang nicht auf Hof und Feld, kümmerte sich überhaupt nicht um die Wirtschaft, schnauzte Max an, wenn der was sagte. Er sei wohl endlich groß genug, er solle es sich einteilen, wie er wolle. Und kam er dann hinaus, so fragte er nicht, warum das und das so gemacht war. Es war eben alles falsch gemacht. Er schrie so lange, bis er sich auf die Erde setzen mußte, denn jetzt bekam er Herzkrämpfe, wenn er sich aufregte. Max trug oder fuhr ihn dann nach Haus.
    Was es sonst Neues gäbe auf der Insel?
    Ach nichts. Neulich sei eine ganze Kommission auf Fidde gewesen. Es solle ja nun wohl wirklich zur Versteigerung kommen. Ein Wunder sei es nicht. Seit fünf Jahren wirtschafteten dort die Beamten ohne jede Aufsicht. Was da gestohlen werde, ertrage kein Hof. Und – als sei der Bruder an etwas erinnert worden – er, Max, ginge doch seit drei Jahren mit der Tochter von Stavenhagen, dem Kaufmann Stavenhagen. Das |299| wisse Hannes doch? Nein? Nun also, ja, das wäre ihm auch bekannt, daß der Alte ein ausgekochter Hund sei mit seiner Likörhinterstube, aber den alten Stavenhagen wolle er ja nun nicht heiraten, sondern die Lene, und die Lene sei in Ordnung. Aber mit dem Vater sei überhaupt nicht darüber zu reden. Es sei, als wenn man in den Wind spräche, er antworte überhaupt nicht. Sie hätten nun schon zwei Kinder, die entzückendsten Mädels von der Welt, und nicht die geringste Aussicht auf Heiraten. Man müsse nun eigentlich, so groß die Sünde sei, direkt auf Vaters Tod warten, und vielleicht, daß der noch aus dem Grabe heraus Schwierigkeiten mache. Mutter werde auch immer verdrehter. Die Salbe sei ihr wohl nicht nur auf die Stirn, sondern auch aufs Gehirn geschlagen. Er habe sie genug gewarnt, es sei eine Salbe für Mauke bei den Pferden gewesen. Nun sei sie manchmal so verwirrt, daß sie nicht mehr Tag noch Nacht auseinanderhalte. Neulich habe sie alle um ein Uhr nachts geweckt, und das Mittagessen stand fertig auf dem Tisch.
    Eine trübe, verzweifelte Stimmung senkte sich über Gäntschow. Er merkte, der Bruder hätte immer weiter so reden können. Mit der Wirtschaft stand es gut, aber mit den Menschen stand es schlecht. Das Alte wehrte sich gegen das Sterben. Es bestand nur noch aus Grillen, die Lebenssubstanz war in der Auflösung.
    In den nächsten Tagen lief er viel auf den Feldern umher, noch immer durfte er nichts anfassen, der Vater hatte es Max streng untersagt, dem Bruder irgendeine Arbeit zu geben. So lief er denn eben umher, der Vater sprach kaum ein Wort mit ihm und nie eins über die Zukunft. Bücher hatte er nicht mehr – er lief sich müde. Der Vater war imstande und ließ ihn hier sitzen, ein halbes Jahr, ein Jahr, zur Strafe oder weil er eben einen Dickkopf hatte.
    Kann ich Tinte und Papier haben, Vater? fragte Hannes.
    Der Alte sah den Sohn unter den buschigen Brauen hervor an. Am Freitag wird in diesem Hause nicht geschrieben, sagte er langsam und ging aus der Stube.
    |300| Am Sonntag fragte der Sohn wieder nach Tinte und Papier.
    Willst du den Gottestag mit Schreibkram schänden? fragte der Vater dagegen. So etwas gibt es draußen, hier nicht.
    Und am Montag endgültig: Auf meinem Hof schreibt einer, und das bin ich! Verstehst du das?!
    Nichts zu machen. Im Grunde war es ein Spaß. Das kleinste Nest, ein Loch wie Greifswald konnte den Vater aus der Fasson bringen, vor einem Schnösel von Studenten trat er in den Rinnstein, in Haarlem war er nachgiebig gewesen, aber kaum wieder auf der heimischen Erde, wurde er anmaßender und selbstherrlicher als ein Fürst. Der liebe Gott war ein kleiner, schwacher Mann gegen ihn. Vater saß versteckt hinter den Knasterwolken seiner Pfeife und grübelte über Dinge, die man nie erfuhr.
    Der Sohn machte einen Spaziergang, er traf seinen Lehrer und Superintendenten Marder. Er lebte noch immer, aber was war der alte Mann alt geworden. Johannes hatte es schon gehört. Der Krieg war zu Ende. Marder hatte seine Haushälterin Witte geheiratet. Ein Gespött, endgültiger Verlust jeden Ansehens in der ganzen Gegend: eine Fischersfrau im Superintendentenhaus! Aber wahrscheinlich war es nicht nur das, wahrscheinlich war auch durch

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