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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Pestilenz wirst du aus dieser Welt kommen … Er hielt an und betrachtete sie, tausend Fältchen um die Augen. Uralt, sagte er dann und streichelte ihr Haar zärtlich. Uralt wirst du werden. Ich werde tot sein, meine Kinder werden |339| tot sein, meine Enkel werden alt werden, und immer, immer wirst du noch leben, Elise.
    O Gott, bitte, höre auf, rief sie aufspringend und zerbrach die Beschwörung.
    Ein Querkopf, ein bißchen unnötig schwierig. Sie werden Ihr ganzes Leben Ihre liebe Not mit ihm haben, sagte der alte Schulrat. Wie wäre es, Herr Gäntschow, wenn Sie manchmal auch an dieses kleine Mädchen dächten? Die Stärkste ist sie nicht.
    Ich denke ja immerzu an sie, sagte Gäntschow überrascht. Ich nehme die erdenklichsten Rücksichten. Und im übrigen, Herr Schulrat, setzte er beruhigend hinzu, ist sie eine Frau. Und Frauen wenigstens sind bestimmt aus Erde gemacht, und so was ist unverwüstlich.
    Wo ich alles für dich tun würde, Hans, sagte sie ein bißchen vorwurfsvoll.
    Mit Ausnahme vom Türzumachen und noch ein paar Kleinigkeiten, antwortete er und grinste.
    Was nun aber Johannes Gäntschow anbetraf, so war er in diese Verlobungsgeschichte mit all jener unbekümmerten Selbstsicherheit marschiert, die ihn in dieser ersten Zeit, da er nun wirklich Landwirt geworden war, erfüllte. Er konnte wohl über sie und sich den Kopf schütteln und verwundert fragen, wie das in aller Welt gut ausgehen könnte. Er konnte aber auch sagen: Warum eigentlich nicht? Ein Bauer, ein Landwirt muß eine Frau haben, schon daß er ordnungsgemäß bekocht und beflickt wird. Auch, damit er Kinder kriegt. Denn Kinder muß man haben. Aber so entscheidend groß war wohl der Unterschied zwischen den Frauen nicht. Was er an Bauernfrauen und Bauernmädchen auf Fiddichow kennengelernt hatte, war auch nicht gerade erschütternd, er ging neben Elise her, Elise erzählte von ihrer Schule, ihren Schulkindern, ihrem Daheim, ihrer Jugend – man konnte ihr ganz gut mal zuhören, man mußte nicht immerzu gähnen oder an etwas anderes denken.
    Elise war schon etwas. Elise war ein großer Fortschritt |340| gegen die Frauen von Fiddichow. Gewiß hatte es dort oben auch Christiane gegeben, aber Christiane gab es nicht mehr. Sicher war Christiane längst gestorben – und an unseren verstorbenen Jugendgefährtinnen ist alles schön.
    Es war nicht zu leugnen, er war zu klug. Er dachte gering von den Frauen. Er kannte seine Mutter und ein halbes Dutzend anderer Frauen. Sie wirkten in der Küche, sie durften die Kühe melken, was eine mechanische Arbeit ist. Aber die Kühe füttern, das durften sie nicht. Denn daran ist etwas zu verderben. Es unterstand ihnen der Geflügelstall, Hühner, Puten, Gänse, Enten, die dümmsten Tiere von der Welt – aber auch da wieder gibt man den Frauen nicht so viel Korn, wie sie möchten. Sie würden die Tiere nur fett und legefaul füttern. Er hat es gehört und gelesen, und es stimmt, daß die Frauen weniger Gehirn haben als die Männer: man merkt es.
    Da geht er neben Elise und hört ihr zu. Er qualmt dabei aus seiner Pfeife und kann sehr gut an diese Dinge denken. Er ist selbstherrlich und völlig von sich überzeugt, er hat einen Dickkopf, und brutal kann er auch sein. Seit entdeckt worden ist, daß er ein geborener Landwirt ist, mit einer tiefen, überkommenen Ahnung für den Boden und Gewächs und Getier, seitdem ist er noch sicherer. Er ist noch nie auf eine rechte Probe gestellt worden. Er hat noch nie Haare gelassen. Seine Kompromisse sind nicht der Rede wert – er hat nicht eine blasse Ahnung davon, wie tief man fallen kann.
    Manchmal besucht ihn der kleine, geschickte Kammergerichtsrat Lenz mit seinem weißnasigen, stummen Sohn. Der Mann hat Gefallen an ihm gefunden, vielleicht fühlt er sich ihm auch verbunden. Er kommt manchmal auf ein, zwei Wochen und geht mit ihm übers Feld oder segelt auf dem Kirschbaumer See.
    Ich würde abraten, sagte der Herr, dringend würde ich abraten. Sie übernehmen eine viel zu große Verantwortung.
    Ich übernehme überhaupt keine Verantwortung, sagt Gäntschow, ich erzähle ihr ja jeden Tag, was werden wird.
    Aber sie glaubt Ihnen doch nicht! ruft der Kammergerichtsrat |341| aus. Sie spürt Ihre Liebe, und alles andere hält sie für geistreichelndes Gerede.
    Kann ich mehr tun, als offen sprechen? fragt Gäntschow. Man kann keinen Menschen zum Glauben zwingen.
    Was Sie für eine Kette am Bein haben werden, sagt Herr Lenz nachdenklich. Sie sind wohl ziemlich der Letzte,

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