Wir hatten mal ein Kind
und indes die Mäher schweißtriefend weiter die Sensen durch den Hafer gehen lassen, die Weiber gebückt dahergehen und die Wische binden, barfuß, jammern die Herrschaften in ihren Lackschuhen über die spitzen Stoppeln. Und eine Dame erkundigt sich bei der Brommen, ob solche Arbeit nicht sehr anstrengend sei. Schließlich ermannt sich sogar der Regierungsrat. Er deutet auf die Haferhalme, die ungebunden verstreut umherliegen, und ruft: Hier muß aber besser nachgelesen werden. Jawohl, nachlesen während Mähen und Binden! Soviel Ahnung hatte er davon. Da doch der Hungerrechen in zwei, drei Tagen aufs Feld kommen und alles nachrechen würde – so etwas können sie sagen. Sie verstehn nichts, sie arbeiten nichts. Auf dem Büro sitzt ein Rechnungsführer, der die Kassengeschäfte macht, auf dem Feld ist ein Administrator, der die Landwirtschaft erledigt – aber sie sind die Rittergutsbesitzer, mit dem Viererzug rasseln sie auf den Acker und lassen Ähren lesen und erkundigen sich nach anstrengender Arbeit.
Der Administrator steht dabei. Er hat sein Reitpferd am Zügel und die Reitpeitsche in der Hand. Mit dieser Reitpeitsche hat er im Frühjahr dreimal die herrschaftlichen Gänse vom herrschaftlichen Roggen geprügelt. Es gab damals einen bösen Krieg mit der Gnädigen. Ein paar Gänse waren kaputtgeschlagen. Er könnte jetzt wieder einmal herrschaftliche Gänse aus herrschaftlichem Hafer prügeln. Aber er steigt auf seinen Gaul und reitet ab.
Es ist nicht wieder gutzumachen. Die Leute verstehen diesen Unverstand ausgezeichnet. Warum sollen sie sich mit der Arbeit für solche eigentlich abstrampeln? Wo ist der Sinn und Verstand von alledem? Nein, denkt Gäntschow einmal anders herum, die Leute sind so übel nicht. Sie sind weder Revolutionäre noch Anarchisten und Umstürzler. Sie begreifen sehr gut, was Eigentum ist. Und sie begreifen sogar, daß der eine viel haben kann und der andere weniger. Aber daß der eine gar nichts tut und gut lebt und die andern tun |358| alles und leben schlecht – nun, sie werden eben wieder ein bißchen weniger für die Herrschaft tun.
Da ist der Administrator von Schadeleben, ein gewisser Gäntschow. Ihm sind ein Reitpferd und ein Kutschpferd zugebilligt, nicht aus Luxus, sondern weil die Begüterung groß ist. Er muß oft an einem Tag drei-, viermal von einem Ende zum andern. Es ist ein weiter Weg, immer querfeldein. Aus wirtschaftlichen Gründen hat er zwei Pferde, nicht aus Hoppheh. Einen Nachmittag kommt er mit müde gerittenem Pferd auf den Hof. Er muß sofort weiter. Ein Gewitter steht am Himmel. Er muß auf die Wiesen. Die Leute sollen das Gras noch in Haufen setzen. Er bringt das Pferd selbst in den Stall. Er will mit dem Kutschpferd vor dem Dogcart weiter. Aber das Kutschpferd ist fort, und der Dogcart ist auch fort: die Gnädige hat die Mamsell damit zur Stadt geschickt. So sind sie, ohne Verstand für ihren eigenen Vorteil. Sechs Pferde stehen im herrschaftlichen Kutschstall, aber die müssen geschont werden. Auch sind sie für eine Mamsell eigentlich zu gut. Also muß das Administratorenpferd heran. Darüber kann immerhin das Heu auf den Wiesen verfaulen. Aber daran wird stets der Beamte schuld sein. Er wird doch einmal ein Pferd drei, vier Stunden entbehren können, nicht?
Wäre er fromm und ein Beamter, der Gäntschow, so ließe er Heu Heu sein und tränke daheim bei seiner jungen Frau Kaffee, so aber, da er ein rechter Heide und wahrer Landwirt ist, holt er sich aus dem herrschaftlichen Kutschstall das beste Pferd und verschafft ihm Bewegung. Das ist natürlich nichts wie ein Affront. Es gibt eine Szene. Aber dann tut Frau von Brest wieder so, als sei nichts gewesen.
Das kann sie, sie ist nicht nachtragend, sie hat im Leben wohl einiges erlebt. Sie hat auch tausendmal mehr Blick für Menschen als die vertrocknete Aktenpflanze, ihr Gatte. Sie hat die Tapetengeschichte überstanden, sie übersteht auch das Kutschpferd, ja sie übersteht sogar die Geschichte mit den Maurern. Ihr Mann, die Nachbarn schütteln den Kopf über sie, daß sie sich von diesem rohen Kerl so etwas gefallen läßt. |359| Wem gehört denn nun eigentlich Rittergut Schadeleben? Ihr oder diesem Herrn Gäntschow?
Die Frau von Brest lächelt, sie sagt: Wissen Sie, mein Vater hat schon immer gesagt: Besser laut geflucht als leise gelogen. Nun also, jetzt zitierte sie schon ihren Vater. Sie hatte es grade nötig. Aber man hatte noch seine Erinnerungen, man wußte noch, wie sie sich mit ihrem Vater
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