Wir hatten mal ein Kind
Blätter entzückten sein Herz. Sie wuchsen empor auf ihren dicken, fleischigen, kantigen Stengeln. Sie waren sattgrün, es war eine Pracht! Er hatte ihnen alles gegeben, was sie haben mußten. Er hatte sie einmal hacken lassen und ein zweites Mal. Kein Unkraut sollte sie stören – also gut, eine Pracht!
Dann fingen sie an zu blühen. Er ritt fast täglich hinaus, er band sein Pferd an einen Chausseebaum und ging auf dem |364| Acker herum, und sein Herz freute sich. Die Blüte roch schwachsüß – wie sich sein Herz freute!
Eines Tages aber blieb er betroffen stehen. Diese Pflanzenspitze sah schwärzlich aus und jene auch. Er brach sie ab und sah sie genauer an: die Feinde kamen, Blattläuse. Sie saßen da in dickem, schwärzlichem Gewimmel nebeneinander, übereinander, sie schienen sich nicht zu rühren. Sie sogen den süßen Saft aus der Pflanze, sie nahmen ihr alle Kraft. Die Blüten mußten ohne Frucht verhungern.
Er ging hin und her. Er brach die befallenen Spitzen ab, es war nicht so schlimm, wie er im ersten Erschrecken befürchtet hatte. Ein paar kühle Tage, ein kräftiger Regen würde den Blattläusen schon Einhalt tun. Er trug die befallenen Spitzen hinaus auf die Chaussee, sorgfältig zertrat er sie auf dem festen Boden. So! sagte er befriedigt und sah zurück auf seinen schönen, saftgrünen, blühenden Schlag.
Als er das nächste Mal hinauskam, es hatte immer noch nicht geregnet, konnte er die befallenen Spitzen nicht mehr abbrechen. Da und dort und dort und da und hier und weiter, – er setzte sich auf sein Pferd und raste ins Dorf. Er ließ alle Frauen und Mädchen und Kinder zusammentrommeln, der Kantor mußte schulfrei geben. Der Schlag wimmelte von Menschen. In Schürzen trugen sie die Spitzen zusammen, an den Schlagrändern lohten Feuer, es prasselte, wenn die Spitzen hineinfielen, dies Ungeziefer! Dies Geziefer!! Und kein Regen, keine Spur von Regen. Dörrende Sonne.
Das liebten diese Läuse. Da wurden sie dick und fett und vermehrten sich zu Heerscharen, sie ließen sich schmoren und sogen dabei weiter den süßen Saft – man konnte von ihnen träumen. Und er träumte denn auch von ihnen.
Zuerst war jede zwanzigste Pflanze befallen, dann jede zehnte, jede fünfte, jede zweite … jede Pflanze. Da erst gab er den Kampf auf. Er schickte die Leute nach Hause, er ließ die Pferdebohnen wachsen, wie sie wollten, mochte Gott sehen, was er aus ihnen machte! Er ging nicht wieder auf diesen Schlag. Und die Sonne stand über dem Land und dörrte |365| es, aus der saftigen grünen Herrlichkeit wurden häßliche, gelbe, vertrocknete Stiele, die Läuse vergingen, wer wußte, wohin. Aber das Unkraut wuchs. Um die Erntezeit kam er noch einmal auf den Schlag. Nein, es war nichts zu ernten. Nicht einmal die Aussaat eingebracht. Ein vertanes Jahr, ohne Ertrag, ein versauter Schlag – eine schwere, lange schmerzende Niederlage!
Die zweite Niederlage kam ihm aus dem Zusammenleben mit Frau Elise. Sie war zuerst nicht so niederschmetternd, dann tausendmal folgenschwerer.
Die beiden hatten sich ineinander eingelebt, soweit man sich mit einem Einsiedler eben einleben kann. Sie war glücklich, wenn er für sie da war. Und sie hatte fröhliche oder kummervolle Wartezeiten, je nachdem, wenn er aus irgendeinem Grunde, der meistens nichts mit ihr zu tun hatte, nicht einen Blick für sie hatte.
Es war einmal so gewesen, daß es ihn gestört hatte, daß da jemand rechts im Bett neben ihm lag und atmete. Jetzt wußte er nichts mehr davon. Jetzt fing sie beim Kaffeetisch an zu erzählen, und er machte eine Kopfbewegung oder runzelte auch nur die Stirn, und sie war still. Nein, keine Hemmungen, keine Störungen mehr aus dieser Ehe. Aber auch kein Auftrieb, kein Beschwingtsein, kein Glück mehr. Der goldene Schimmer war fort, die zärtlichen Melodien spielten nicht mehr – sie war einmal etwas gewesen wie eine unendlich fröhliche Blüte hinter dem Schulfenster von Klein-Kirschbaum; zerronnen, vorbei. Unbegreiflich unter den Händen zergangen. Sie war eine Frau geworden wie alle andern, mit all den Schwierigkeiten, Albernheiten, Unverständlichkeiten der Frau, ein gar nicht unübler Mensch, von bestem Charakter, mit ein bißchen zu wenig Verstand. Er war nicht einmal schlecht zu ihr, er war so gut zu ihr, wie es ein so eingekapselter Mensch sein kann, so gut zu ihr, wie man zu einem tagtäglich gesehenen Menschen ohne die rechte Liebe sein kann. Aber war das alles? Waren das die Träume, von denen man geträumt
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