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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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fliegt er.
    Er hatte sich nicht gedrückt. Er stand mitten auf dem Hof, auf seinen Krückstock gestützt, und musterte nachdenklich die Schloßfassade. Sie stieß mit all der frischen Gluthitze ihrer Wut auf ihn nieder.
    Er läßt sie reden, reden … Es ist völlig sinnlos, in diesen Klotz hineinzureden, der keine Miene verzieht. Und was sagen Sie?! fragt sie schließlich ganz knapp.
    Gar nichts, sagt er.
    Aber Sie müssen doch wenigstens was sagen, eine Entschuldigung.
    Aber nein. Übrigens hätte das schon längst geschehen sollen. Sobald die Maurer wieder Zeit haben, lasse ich durch die andre Wand eine Tür zum Badezimmer durchbrechen, und Sie brauchen nicht immer über den Gang.
    Ausgezeichnet, sagt sie unwillkürlich und setzt hinzu: Sie sind der schlaueste, gerissenste Vogel …
    Schönschön, sagt er. Wir sind also wieder einig. Er setzt sich in Gang.
    Hallo, Herr Gäntschow, ruft sie ihm nach.
    |362| Hallo, gnädige Frau, dreht er sich um.
    Wann können Sie mir denn nun
Ihre
Maurer schicken?
    In ein bis zwei Tagen!
    Unmöglich! So lange sollen wir …
    Eine Treppe tiefer! Eine Treppe tiefer! Nachher ist es dann um so bequemer. Und er marschiert ab.
    Unverschämter Flegel, denkt sie wieder einmal. Aber sie freut sich.
    So lebt er. So lebt er durch vier Jahre. Er hat eine Frau, eine Herrschaft, viele Leute. Er erficht Siege. Er macht es seinem Hirn nicht leicht. Er strengt seinen Kopf an. Es ist anders, als er sich gedacht hatte, aber ganz schlecht ist es nicht. Denn neben dem Umgang mit den Menschen hat er den Umgang mit dem Lande, dem Acker. Auch mit ihm kämpft er, um ihn kämpft er. Auch hier erficht er Siege und erleidet schmerzliche Niederlagen. Er hat den Acker verwahrlost, ausgehungert und verunkrautet, schlecht bestellt dazu, übernommen. Nun liegt er nachts wach, er stützt den Kopf in die Hand und denkt nach. Seine Frau rührt sich in ihrem Bett, sie fragt: Woran denkst du, Hans? Er sagt lange nachher, denn es dauert eine Weile, bis eine Frage von außen her in sein Denken dringt: An die Quecken! An die Quecken doch!
    Da sind sie, sie haben sich breitgemacht auf dem Lande. Überall stechen ihre scharfen, hellgrünen Spitzen hervor, und sie stechen in sein Herz. Sie überwuchern alles. Zwischen alle Kulturpflanzen stehlen sie sich, sie nehmen ihnen das Licht und die Nahrung. Ihre langen, weißen Wurzelteile sind dick und mastig geworden. Er verfolgt sie mit Schälpflügen, Kultivatoren, Grubbern, Eggen, er fährt Berge aus ihnen zusammen – und die zerrissenen, verstümmelten Wurzelteile schlagen alle wieder aus. Er erstickt sie unter Futtergetreide, er kränkt sie mit feingemahlenem Kainit, er ersinnt immer neue Listen und Ränke, für jeden Schlag, jeden Schlagteil andere, er ist nimmermüde.
    Es ist ein wahrer Krieg, eines Mannes würdig. In der Stille gekämpft, ohne Gerede und Aufhebens, keine Orden und |363| Ehrenzeichen. Jawohl, er hat ein Reitpferd mit Sattel und Zaumzeug. Er ist stattlich anzusehen, wenn er auf den Feldern reitet, aber wenn er etwas sehen will, dann steigt er von dem Gaul. Er wirft sich die Zügel über die Schulter und Harras zottelt hinter ihm her wie ein Lämmchen. Er tritt auf dem Boden herum, er versucht, wie er der Schuhsohle nachgibt. Er bückt sich nach ihm, zerreibt ihn in der Hand. Er beriecht ihn, schmeckt ihn. Nein, der Boden ist noch nicht soweit. Er wird weiter kämpfen müssen, und wenn er sein Ziel erreicht hat, wird er weiterkämpfen müssen, es zu bewahren.
    Es ist nicht sein Boden, er ist auf vierteljährliche Kündigung angestellt, aber es ist doch sein Boden allein. Denn die, denen er gehört, haben keine Ahnung von alledem.
    Nun nehmen Sie die Pferde schon wieder auf den Außenschlag, Herr Gäntschow, sagt die gnädige Frau. Ich dachte, die Gäule bekämen ein paar Tage Ruhe. Sie sehen so abgetrieben aus!
    Warum sind es Pferde geworden? antwortet er grob. Es hätten Rittergutsbesitzer werden sollen.
    Er dreht sich um und geht.
    Der Außenschlag, der Außenschlag, der Schlag seiner schlimmsten Niederlage, eine Blamage, ein Gelächter für die ganze Gegend! Es war ein Versuch von ihm gewesen. Er hatte den Acker schon schön in Ordnung, er düngte ihn im Herbst gut mit Stalldung ab, pflügte den unter, im Frühjahr drillte er Pferdebohnen. Pferdebohnen – eine schöne, weißschwarz blühende Pflanze mit langen Schoten, ein eiweißreiches Futter, grade, was man in den Ställen brauchte.
    Sie gingen auf, daß es ein Staat war. Ihre tiefgrünen, breiten

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