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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gestanden hatte. Hatte der nicht sogar einmal einen Kerl aus dem Schlafzimmer der damalig noch Freiin von Laeven geprügelt? Nun, das war damals auch ein bürgerlicher Inspektor gewesen. Wäre der liebe, gute Herr Regierungsrat von Brest nur etwas hellsichtiger für Dinge, die nicht aktenkundig waren, er hätte in diesem groben Herrn Gäntschow schon längst ein kräftiges Haar gefunden.
    Alles mochte hingehen, manches mochte man um eines tüchtigen Beamten willen schlucken, aber diese Geschichte mit den Maurern –! Nicht, daß der Kerl ohne Witz gewesen wäre, man konnte sich halbtot lachen, wenn man sich die Gesichter von Herrn und Frau von Brest vorstellte, wie sie die Wand anstarrten. An sich eine ganz gewöhnliche Geschichte. Sie kam auf allen Rittergütern alle Tage vor:
    Es war irgend etwas auf dem Schloß zu mauern, auszubessern, etwas Stuck war los, eine Wand sollte gezogen werden, ein Fenster verlegt, – die Herrschaft bestellte sich die Gutsmaurer. Auf jedem großen Rittergut, wo an den Gebäuden immer etwas zu flicken und auszubessern ist, gibt es zwei oder drei fest angestellte Maurer. Eigentlich unterstehen sie natürlich dem Administrator. Aber die Herrschaft läßt sie eben mal rasch durch den Diener holen. Manchmal läßt sie auch dem Administrator Bescheid sagen. Öfter vergißt sie es.
    Als auf Schadeleben so etwas vorkam, äußerte Herr Gäntschow den dringenden Wunsch, benachrichtigt zu werden. Schließlich machten die Maurer einmal einen Tag blau und behaupteten einfach später, sie seien auf dem Schloß gewesen. Oder es gab auf dem Hof eine sehr dringende Arbeit – nun gut, die gnädige Frau sah es ein und versprach Erfüllung des Wunsches. Aber wie das eben so geht, es wurde vergessen, |360| oder der Administrator war grade auf dem Felde – Gäntschow suchte wieder mal umsonst seine Maurer. Er protestierte ziemlich heftig. Ziemlich reumütig wurde neuerlich Erfüllung zugesagt. Gut. Drei Tage später dasselbe. Vierzehn Tage später dasselbe.
    Eines Morgens um halb sechs bei Arbeitsanfang vermißt Gäntschow wieder seine Maurer. Er geht langen Schrittes ins Schloß. Seine Stirn ist eine Gewitterwolke. Er findet seine Maurer im Keller, an der Zentralheizung rumbastelnd. Es ist Sommer. Eilig ist das also grade nicht.
    Nun läßt er die Leute Steine holen, Mörtel, er gebietet ihnen tiefstes Stillschweigen, dann schleichen sie vier Mann hoch leise wie die Indianer hinauf ins Schloß. Dort schläft noch alles. Über die teppichbelegten Gänge pirschen sie sich weiter, höher. Hier, sagt Gäntschow und zeigt auf eine Tür.
    Die Tür wird ausgehängt, beiseite gestellt. Dann fangen die Maurer hastig an, die Türöffnung mit Steinen zuzumauern. Sie arbeiten mit einer verdächtigen Schnelle und Lautlosigkeit, sie wagen keine Bemerkung, kein Lächeln. Denn dieses Aas von Gäntschow steht daneben. Aber in ihren Augen glänzt ein verräterisches Licht.
    So, sagt Gäntschow. Die Tür ist mit Steinen zugesetzt. Etwas pfuschig, aber zu. Der Bewurf! Rasch noch ein grauer Zementbewurf. Wird auch nicht ganz glatt, aber es geht auch so.
    Ab! Nehmt die Tür mit. Ihr arbeitet heute auf dem Vorwerk.
    Sie verschwinden wie die Geister.
    Als eine Stunde später Herr Regierungsrat von Brest aus dem Schlafzimmer ins Badezimmer will, sieht er sich einer glatten, etwas feuchten Wand gegenüber. Ratlos sieht er den Gang auf und ab. Dann greift er mit der Hand nach der gewohnten Türklinke. Seine Knöchel stoßen gegen eine Wand. Nichts zu machen, eine Wand.
    Er scheint ein bißchen kränker geworden. Sein Zucker hat ihm schon lange Kummer gemacht. Aber daß es so schlimm ist, hätte er nicht gedacht. Er geht in sein Bett zurück und |361| fängt leise und diskret an zu stöhnen, damit er seine Gattin nicht auf einmal, sondern nur langsam erschreckt.
    Es gelingt – und er erzählt ihr seine Geschichte. Sie ist auch der Ansicht, daß er eine Halluzination gehabt hat, aber eine Spur von Mißtrauen bleibt in ihr, und sie steht auf, um sich die Badezimmertür zu beschauen.
    Sie kommt zurück ins Schlafzimmer und fängt hastig an, sich anzuziehen.
    Ihr Mann stöhnt schon stärker, da sie es nun doch schon einmal weiß.
    Ich verbitte mir diese Albernheiten, Erwin, sagt sie in einem Ton, der sofort sein Stöhnen stoppt.
    Aber was ist mit der Tür, Malwida? fragt er ängstlich.
    Gäntschow, sagt sie mit Nachdruck.
    Ich verstehe nichts, sagt er verzweifelt.
    Gäntschow, sagt sie noch einmal. Wenn er sich aber gedrückt hat,

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