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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sie die Stirn und hebt sie wieder: sie ist die einzige Frau auf der Welt, die Kinder für ihn tragen und gebären darf. Genügt ihr das nicht? Das muß ihr genügen. Und es genügt ihr also auch.
    Und so gehen die Tage und die Wochen und die Monate über diesem stillen, veränderten Leben hin. Es gibt Zwischenspiele, es ist nicht immer still, es werden auch Tränen geweint. Die junge Frau befällt etwas wie Angst und Reue, sie sehnt sich plötzlich nach ihrer Mutter, nach der sie sich nie gesehnt hat. Vielleicht wird sie sterben. Sie ist schlecht zu ihrer Mutter gewesen. So kann sie nicht sterben, die Mutter muß kommen. Nun, es wird ein Brief geschrieben, und der alte Drache läßt sich gehörig bitten: Der unehrerbietige Schwiegersohn muß selbst einladen. Siehe, die Mutter nutzt ihre Position: So leicht komme ich nicht. Nun tu mal erst was dafür.
    Er tut es. Und da er nicht ganz ohne Humor ist, tut er es sogar mit einem Grinsen für die Tüchtigkeit der Schwiegermamama. Nun, und der Witz der Sache ist leider der, daß die tüchtige alte Dame, die mit Kisten und Koffern angerückt kam, versorgt für die drei oder vier Monate bis nach der Entbindung, daß sie, die von ihrem Heim und allen Freunden und Bekannten und der töchterlichen Oberlehrerin und Fräulein von Marzahn für ein Leben Abschied genommen hatte – daß sie wieder nach drei Tagen mit Sack und Pack von Schadeleben abreiste als, man kann ganz gut sagen, als Gift und Galle speiender Drache. Und nicht einmal der bösartige, ewig ironisch grinsende Schwiegersohn hatte sie fortgeschickt, sondern die eigene Tochter!
    Ach, die tüchtige Mama hatte gar zu kräftig die Zügel des Regiments an sich gerissen. Sie hatte nicht daran gedacht, daß aus dem kleinen, ängstlichen Dummchen eine seit drei Jahren verheiratete Frau geworden war und aus dem reinen Garnichts eine Administratorengattin, vor der hundertzwanzig |369| Leute höflich die Mützen zogen. Sie hatte etwas gar zu überlegen in der Erinnerung an die fröhliche, selige Kinderzeit gesagt: Du wirst das trinken, Elise, sonst werde ich böse.
    Und Elise hatte sich schon wie damals schluchzend in der Ecke gesehen und mußte dann so herzlich lachen.
    Aber all das, das wäre ja noch hingegangen und wäre von der sterbelustigen Tochter um des guten Zweckes willen mit mehr oder weniger Humor ertragen worden. Ihre Mama aber hatte mit Schrecken gemerkt, daß Elise noch immer einen Heldenschein um die Gestalt ihres Gatten wob. Nach dreijähriger Ehe, man höre bloß, und sie hatte sich emsig darangemacht, diesen Heldenschein gründlich abzuseifen, mit bitterer Spottlauge. Und wenn dabei ein wenig Haut mit wegging, so machte es auch nichts. Und da hatte es denn ein wenig sehr heftige Auseinandersetzungen zwischen den beiden gegeben, eigentlich gar nicht wie zwischen Mutter und Tochter. Und wenn die eine durch Liebe verblendet war, so war es die andere durch Rechthaberei. Sieh einmal an. Schließlich war es dann so weit gekommen, daß die Mutter zur Tochter gesagt hatte: Du bist ja verrückt, mein Kind, wenn du nicht siehst, daß er ein ganz gewöhnlicher Bauernklotz ohne alle Manieren ist. Jeder gebildete Mensch nimmt ihn bloß komisch. Ich habe es an Frau von Brest, die doch wirklich eine feine Dame ist, wohl gesehen.
    Und die Tochter, dies sanfte Schaf, hatte ganz wolfsmäßig geantwortet: Du bist ja bloß neidisch, Mama, weil ich so einen angesehenen Mann abgekriegt habe. Den Papa hast du ja immer bloß verachtet, weil er nichts war und nichts vorstellte.
    Worauf sie in nicht endenwollende Tränen ausbrach. Und wenn die Alte auch, schon im Hinblick auf den endgültigen, langen Abschied daheim, nach dem Überlegen einer Nacht bereit gewesen war, einzulenken und gleich drei Löcher zurückzustecken, so wurde ihr dazu leider gar keine Gelegenheit gegeben. Denn am nächsten Morgen trat ihr im gänzlich verwaisten Frühstückszimmer ein älterer, bebauchter Herr mit Backenbart und, wie sie sofort feststellte, mit falschem, |370| stechendem Blick entgegen, stellte sich ihr als Sanitätsrat Krummhübel vor und begann einen endlosen Vortrag, in dem Reizbarkeit, psychische Veränderungen, Depressionen, manische Erregungen, Schwangerschaftspsychosen vorkamen, bis Frau Schütt kurz und klar sagte: Ich soll also abreisen.
    Ich würde dazu raten, sagte der Backenbärtige plötzlich ebenso kurz.
    Und ehe noch das Stauwerk an ihrem Herzen gebrochen war und sie über diesen Schurken all ihre Anmerkungen, Erläuterungen und

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