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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Inhaltsangaben ergießen konnte, tat sich die Tür zum Zimmer auf, und dieser verdammte, ironische Schwiegersohn kam vergnügt grinsend herein und sagte unverschämt: Holla, Mama, noch nicht fertig? Der Wagen muß gleich kommen. Sich ein bißchen in den Haaren gehabt? Ja, die Frauen, die Frauen … Auch die allerbesten Frauen! Haben Sie es gehört, Herr Sanitätsrat? Soll ich es Ihnen nochmal erzählen? – – –
    Und wenn nicht Frau Lehrer Schütt eine wirklich ebenso feine Dame wie Frau von Brest gewesen wäre, so wäre sie ihrem Schwiegersohn wohl mit allen Nägeln und Krallen in das Gesicht gefahren. Genug Lust hatte sie dazu. So aber warf sie nur einen niederschmetternden Blick auf die beiden Schufte, schrammte die erste Tür zu, daß Gäntschow »hoppla« rief, schrammte auch noch die zweite und dritte Tür zu, fuhr das düsige, verschnupfte Mädchen am Herd fauchend an, daß es schreckensbleich in die Ecke der Küche floh, warf ihre Sachen kunterbunt in den Koffer und fuhr, ohne einen Blick zurück, ab. Die ausgestreckte Hand des Schwiegersohns brauchte man ja nicht zu sehen.
    Übrigens war auch an die Verwandten auf Fiddichow auf dem Ausbauhof Warder geschrieben worden. Aber von dort kam keine Antwort. Von dort kam schon lange keine Antwort mehr. Zum letzten Male war Johannes dort 1918 gewesen, nach Kriegsende. Er hatte seinen Bruder Max wiedergetroffen, der auch den Krieg überstanden hatte, der aber wortkarg und mit der ganzen Welt zerfallen war. Sein |371| Mädchen, die Tochter von Kaufmann Stavenhagen, mit »sei nen « beiden Kindern, hatte im Kriege wirklich geheiratet. Irgendeinen kleinen Besitzer, einen »Büdner«, mit einem Pferd wie ein Pony und einer Kuh wie ein Knochensack. Nun strich er in all seiner freien Zeit um die kleine Besitzung herum. Es wurde viel im Lande davon geredet. Der Büdner, ein magerer, hakennasiger Mann mit einem Schnauzbart, sollte den Max schon drei- oder viermal halbtotgedroschen haben. Daß der Vater und Sohn nicht gut miteinander standen, war nicht zu verwundern. Der Sohn war eine Art Knecht auf dem Hof geworden, ein sehr verachteter Knecht. Aber er wartete nur auf die Todesstunde des Vaters, dann würde er dem Büdner die Frau schon irgendwie abkaufen. Der Vater aber wußte von all diesen Absichten des Sohns, den er nicht weniger verachtete, als der ihn haßte, und sagte ihm oft und oft: Wir Gäntschows werden alle uralt, und noch in zwanzig Jahren sollst du bei mir Knecht ohne Lohn sein.
    Nein, es war vielleicht kein Wunder, daß Johannes nie mehr Nachricht aus Warder bekam. Schreibselig waren die Fiddichower nie gewesen, aber manchmal wollte ihn doch eine Ahnung wie von kommendem Unheil anrühren.
    Nun, auch diese Ahnung verging. Die Tage vergingen, jeder Tag hatte seine eigene Plage, die junge Frau war schwanger, und die kleine Seele, die früher nie gewagt hatte, einen Wunsch zu äußern, hatte jetzt Wünsche genug. Mit der Mutter war es zwar nichts gewesen. Aber sofort nach diesem Besuch kam ein neuer Wunsch mit nicht geringerer Gewalt. Es kam daher, daß ihre Beine und Füße unter dem immer stärker werdenden Leib anschwollen – wo waren die zarten Rehbeine hin, mit den schönen, zierlichen, hohen Fesseln? Die junge Frau war ganz unglücklich darüber. Sie redete und klagte ewig davon, Tag und Nacht.
    Aber dann kam die Bücklingsolsch aus Regenwalde, eine dicke Alte, die mit einer Kiste Bücklinge im Lande umherzog, und die erzählte der jungen Frau, sie müsse die Füße nur in zwei etwas ausgehöhlte Kürbisse stecken, dann würden |372| die Kürbisse schon das Fruchtwasser in Beinen und Füßen an sich ziehen: Denn das weißt du ja, mein kleines Mädchen, daß der Kürbis grausam Durst auf Wasser hat, und wo er es wittert, da zieht er es an sich. Und wenn du nur die Geduld hast, daß du ihn sechsunddreißig Stunden an den Füßen leidest, so hast du deine natürlichen Beine wieder, und der Kürbis hat alles Fruchtwasser getrunken. Denn Frucht will zur Frucht.
    Nun, da hatte sie ihren Rat und ihre Anweisung, und ihr Mann wäre ihr darin nicht einmal zuwider gewesen, denn schließlich stammte er aus einem Bauernhause, wo man immer wieder Wunderheilungen erlebt. Aber man schrieb Februar, und das ist auf dem Lande eine schlechte Zeit für Kürbisse, wo sie doch alle schon längst süß-sauer eingekocht in Steintöpfen ruhen. Es wurde aber viel geredet im Dorf über die junge, schwangere Frau und ihre Plage, »und ihre Füße sind schon wie welk«, und das Gerede

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